Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg

Nicht etwa Stahlarbeiter oder Bergleute, sondern angereiste Marinesoldaten gaben am 8./9. November 1918 im Ruhrgebiet den Anstoß zu revolutionären Umbrüchen und zur Ausrufung der (Weimarer) Republik. Tatsächlich gelang es diesen überall in Deutschland spontan gebildeten Arbeiter- und Soldatenräten in den Nachkriegswirren, die Situation der Menschen spürbar zu erleichtern und lohn- sowie sozialpolitische Verbesserungen durchzusetzen. Diese sog. November-Revolution fand mit dem Ruhrkampf im Jahre 1920 ihr vorläufiges Ende.
Trauerfeier vor dem Rathaus Gelsenkirchen für die Revolutionsopfer
Quelle: Stadtarchiv Gelsenkirchen
Neben den politischen drängten auch schwere wirtschaftliche Probleme auf eine baldige Lösung. Der Friedensvertrag von Versailles erlegte Deutschland hohe Reparationszahlungen an die Kriegsgewinner auf. Dem raschen Wiederaufbau der Ruhrindustrie und dem Umbau der einseitig auf Rüstungsindustrie ausgerichteten Produktionsstruktur gebührte höchste Priorität. Erschwert wurde der Wiederaufbau durch fehlende Investitionen während des Krieges, die hohe Staatsverschuldung und die Handelsbeschränkungen im Im- und Exportgeschäft.
Gebiet des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk 1920
Quelle: RVR
Tatsächlich konnten in den Jahren bis 1922 die Kohlenförderung und Eisenerzeugung erheblich gesteigert werden. An dieser positiven Entwicklung war nicht zuletzt der 1920 gegründete "Siedlungsverband Ruhrgebiet" (SVR) beteiligt (vgl. Schlieper 1986, S. 104). Er sorgte vor allem durch koordinierte Planung dafür, dass die für den Ausbau der Industrie notwendige Infrastruktur geschaffen und für die nach 1920 einsetzende Zuwanderung der Arbeiterschaft die erforderlichen Wohnungen bereitgestellt wurden, galt es doch ca. 6000 000 zusätzliche Einwohner geordnet unterzubringen..
Gleichwohl blieben die Reparationsforderungen eine ständige Belastung. 226 Mrd. Goldmark waren nach Ansicht der deutschen Regierung nicht annehmbar. Trotz aller Bemühungen erreichte man die auferlegten Zahlungsziele nicht. Um die Lieferungen der Reparationen sicherzustellen, besetzten französische und belgische Truppen im Jahr 1923 das Ruhrgebiet. Die Regierung versuchte, durch den Aufruf zum "passiven Widerstand" und Befehlsverweigerungen, dieser erneuten kriegerischen Handlung entgegen zu wirken. Der ruinöse "Ruhrkampf" konnte jedoch nicht lange durchgehalten werden.

Mit dem Ende der Besetzung des Ruhrgebietes und mit der Währungsreform fand man an der Ruhr zurück zur Normalität. "Der 15. Oktober 1923, der Tag der Währungsreform, markiert vielleicht so etwas wie das Ende der Nachkriegszeit; langsam begann Deutschland, sich aus den Wirren und Verwicklungen von Revolution, Besetzung, Putschversuchen und der am Ende immer schneller galoppierenden Inflation zu befreien" (Schlieper 1986, S. 110).
Ruhrbesetzung: Der Einmarsch der französischen Armee in Essen am 12.1.1923
Quelle: LWL-Medienzentrum für Westfalen
In den Jahren zwischen 1924 und 1928 erfuhr die Wirtschaft einen weiteren deutlichen Aufschwung. Die Ruhrindustrie hatte daran einen erheblichen Anteil. Neben der quantitativen Steigerung der Produktion in der Kohleförderung, Stahlgewinnung und Verarbeitung trugen vor allem Innovationen im Bereich der Sonderstähle für die verschiedensten Einsatzzwecke dazu bei. "Nachdem 1912 Krupp mit der Produktion von nicht rostenden Chrom-Nickel-Stählen begonnen hatte, brachte das selbe Unternehmen 1926 Hartmetalle unter dem Namen "Widia" auf den Markt, das vor allem als Werkzeugmetall in der Drahtindustrie Verwendung fand" (Schlieper 1986, S. 117).

Auch in der Kohlechemie gelang im Jahr 1925 ein entscheidender Durchbruch. Die "Fischer-Tropsch-Synthese" brachte den entscheidenden Durchbruch in der Gewinnung von Benzin aus Kohle. Ab 1928 betrieb die Ruhrgas AG die Kohleveredelung im industriellen Stil.

Zum Dritten entstanden dem wirtschaftlichen Wachstum neben diesen Fortschritten auch aus den nun in breiter Front einsetzenden Rationalisierungen neue Impulse: Die Industrie im Ruhrgebiet ging aus der Phase des extensiven Wachstums in jene des intensiven über (Schlieper 1986, S. 119).

Was dies bedeutet, wird am Beispiel des Bergbaus deutlich. Allein in den Jahren zwischen 1913 und 1925 wuchs das über mechanische Verfahren abgebaute Fördervolumen von 2 auf 48 % (Schlieper 1986, S.118). Mit dieser Mechanisierung stieg auch die Arbeitsproduktivität im Bergbau, d.h. die pro Mann und Schicht abgebaute Kohlenmenge. Gleichzeitig nahm die Zahl der im Bergbau Beschäftigten um 21 % ab. Diese Entwicklung hatte soziale Konflikte zur Folge. Der revolutionäre Elan war allerdings erlahmt, so dass die Bergwerke aus dem Kampf um Arbeitszeiten, Löhne etc. zumeist erfolgreich hervorgingen.

Mit dem 25. Oktober 1929, dem "Schwarzen Freitag" an der New Yorker Börse und dem Beginn der Weltwirtschaftskrise, fand der wirtschaftliche Aufschwung ein erneutes Ende. Bis in die frühen Dreißigerjahre hatte Deutschland mit den Folgen zu kämpfen. Arbeitslosigkeit, Konkurse, sinkende Nachfrage bei Industrieprodukten und nicht zuletzt die verfehlte staatliche Sparpolitik führten der deutschen Wirtschaft schwere Schäden zu.

Ob ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Machtergreifung Hitlers und der Weltwirtschaftskrise konstruiert werden kann, ist nicht eindeutig zu beantworten, "die Parallelentwicklung von Anstieg der Arbeitslosenzahlen und Wählerstimmen für die NSDAP deutet zumindest auf gewisse Ursachen und Übereinstimmungen hin" (Schlieper 1986, S. 126). Der Aufstieg Adolf Hitlers wurde durch die innenpolitischen Probleme und das fehlende Vertrauen in die Weimarer Politik sicherlich beschleunigt. Im Jahr 1933 endete die Ära der Weimarer Republik mit der Machtergreifung durch die NSDAP.