Kriegswirtschaft und ihre Folgen

Das Aufrüstungsprogramm der Nationalsozialisten verlief nicht wunschgemäß. Die Plandaten für die Um- und Aufrüstung der drei Wehrmachtsteile waren so hoch angesetzt, dass sich in kürzester Zeit die Rüstungskonjunktur überhitzte. Dies führte 1936 zu einer schweren Rohstoff- und Devisenkrise. Das wirtschaftliche Wachstum verlangsamte sich, da die Produktionskapazitäten vieler Unternehmen allmählich an ihre Grenzen kamen. Mangel herrschte vor allem an Facharbeitern und Rohstoffen.
In dieser Situation verabschiedeten die Nationalsozialisten den zweiten Vierjahresplan, der das Ziel verfolgte, mit Hilfe der eigenen Rohstoffvorkommen von ausländischen Rohstoffen unabhängig zu werden. Die Verhüttung heimischer Erze stellte allerdings die Konzerne an der Ruhr vor große Probleme: Die sauren Erze verlangten technisch aufwendige Verfahren und mit der Umstellung verlor man große Anteile am internationalen Stahlgeschäft. Daher lehnten die Industriellen an Rhein und Ruhr, besorgt um Ihre Zukunft, diese Entwicklung ab.

Die politische Konsequenz ließ nicht lange auf sich warten: Hermann Göring schuf Konkurrenz für die (zu) starken Konzerne an der Ruhr. Als Beauftragter für den Vierjahresplan ließ er ein neues Hüttenwerk im heutigen Salzgitter errichten, die "Reichswerke AG Hermann Göring für Erzbergbau und Eisenhütten" (HGW). Die Ruhrindustriellen fassten die Gründung der HGW als "offene Kampfansage" auf.
Der Aufbau der HGW wurde in der Folgezeit politisch stark begünstigt. Vor allem fügten sich die HGW dank ihrer militärgeographischen Lage in der Mitte Deutschlands wesentlich besser in die NS-Rüstungsstrategie ein als die Unternehmen des Ruhrgebietes im grenznahen Westen des Deutschen Reiches. Aber trotz des wirtschaftspolitisch bevorzugten Montankonzerns in Salzgitter konnten die nationalsozialistischen Machthaber nicht auf das Ruhrgebiet als "Rüstkammer" verzichten, zumal die HGW noch 1940 lediglich zwei Prozent zur gesamten deutschen Eisen- und Stahlproduktion beitrugen.

Dennoch musste die Schwerindustrie an Rhein und Ruhr ihre Politik Ende 1937 grundlegend ändern und sich verstärkt dem Binnenmarkt zuwenden. Neben dem innenpolitischen Druck war dafür der weltwirtschaftliche Konjunktureinbruch im Herbst 1937 verantwortlich, durch den die Ruhrkonzerne die wesentlichen Exportgeschäfte verloren. Von da an waren sie überwiegend auf Inlandsaufträge angewiesen, die zumindest das Massengeschäft sicherten.
Die Ruhrindustrie folgte den Erfordernissen der Kriegszwecke. Ihre Produktionskapazitäten waren mit einem Ausstoß von über 16 Mio. t Rohstahl bei Beginn des Krieges bis zur Grenze ausgelastet. Aber sie hatte im Konflikt mit den nationalsozialistischen Machthabern um die Autarkiepolitik und um das Tempo der Aufrüstung an politischem Gewicht eingebüßt.
Die großen Investitionsschübe des Vierjahresplans waren nicht der Schwerindustrie und dem Kohlenbergbau an der Ruhr zugeflossen, sondern - neben dem staatlichen Stahlkonzern HGW - vor allem der Großchemie, die allein im Ruhrgebiet sechs Kohleverflüssigungsanlagen zur Herstellung von Treibstoff baute. Die HGW produzierten in der Folgezeit ein Achtel der gesamten deutschen Stahlproduktion der letzten Kriegsjahre. Bereits in der Mitte des Krieges war sie zu einem gigantischen Konzern angewachsen. Die HGW machte mit einem Kapitalwert von 5 Mio. Reichsmark fast das Doppelte aller anderen Stahlunternehmen in Deutschland aus.
Gleichwohl konzentrierte sich die Ruhrwirtschaft in den Kriegsjahren unter Hochdruck auf Bereich (kriegswirtschaftlicher) Produktionen wie u.a. der Munitionsherstellung sowie dem Bau von Lokomotiven und Waggons.