Rubrik: Aufstieg und Rückzug der Montanindustrie

Quelle: RVR-Fotoarchiv, Kollage Autorenteam
"Das Ruhrgebiet hat seine ökonomische Entwicklung weniger dadurch genommen, daß es neue Produkte und Branchen schuf und ansiedelte, sondern eher dadurch, daß es die Expansionsmöglichkeiten der traditionellen Branchen bis aufs äußerste ausschöpfte" (Schlieper 1986, S. 144).

Wie der Aufschwung, so liegt auch der Niedergang in diesem - überspitzt formulierten - Sachverhalt begründet. Dabei ist typisch für die Entfaltung der Montanindustrie, dass die Entwicklung einerseits auf der jeweiligen Eigendynamik der Säulen Kohle, Stahl, Energie, (Kohle-)Chemie und Eisenbahn an sich beruht. Zudem aber fördert deren sehr enge Verflechtung sowohl einen wechselseitig sich verstärkenden Aufschwung als auch die einander verschärfenden Probleme in der Zeit des Rückzugs aus der Region.

Im Zuge der Industrialisierung entwickelte sich im Ruhrgebiet eine industrielle und eine gesellschaftliche Monokultur, die ausschließlich auf die Bedürfnisse der Montanindustrie ausgerichtet war. Als Gradmesser für den Wohlstand galten neben den Produktionszahlen der Eisen und Stahl schaffenden Industrie die Fördermengen an Kohle, zumindest solange, bis es im Jahre 1958 zur ersten großen Kohlekrise kam. Das sich selbst tragende Wachstum des Montansektors hatte seinen Zenit überschritten.

Gründe hierfür finden sich zum einen in den hohen Preisen der Ruhrgebiets-Steinkohle auf Grund aufwändiger Förderbedingungen, zum zweiten im zunehmend liberalisierten internationalen Handel, der den Import weit günstiger geförderter Kohle ermöglicht und zum dritten in der Substitution der Steinkohle durch andere Rohstoffe wie Erdöl oder Erdgas. Die Kohle als dominanter Energieträger wurde regional radikal um- und abgewertet.

Diese Faktoren bündeln sich zum vierten zu einem sich selbst erhaltenden Prozess des regionalökonomischen Rück- und Umbaus, der ein halbes Jahrhundert nach der ersten Kohlekrise noch nicht bewältigt ist.

Die Themen folgen dem historischen Entwicklungsgang von der Entfaltung der Montanindustrie über die durch Kriege und Wiederaufbau bedingten Wachstumsimpulse bis zur "Hochzeit" der aufs engste verflochtenen "Verbundwirtschaft" mit all ihren Synergiewirkungen. Ihr folgten bald die Kohle- und Stahlkrisen und der durch sie eingeleitete Rückzug und Umbau der Schwerindustrie.

Die weiteren Themen widmen sich den Hindernissen und Hürden des regionalstrukturellen Wandels, wobei die "mentalen Altlasten" als ein Ursachenkomplex unter anderen einen dominanten Stellenwert einnehmen. Anhand der Bevölkerungsprobleme lässt sich ein weiterer zentraler Ursache-Wirkungskomplex nachzeichnen: Gerade die wirtschaftlichen und sozio-ökonomischen Ursachen der Bevölkerungsdynamik geben ihrerseits einem Wirkungskreislauf Schwung, der alle Anzeichen eines nur schwer kontrollierbaren circulus vitiosus, einer sich selbst erhaltenden Problemspirale aufzeigt.