Rubrik: Erneuerung stadtregionaler Räume

Quelle: RVR-Fotoarchiv, Kollage Autorenteam
Die Hinterlassenschaften der montanindustriellen Ära des Ruhrgebietes bestehen zunächst und offensichtlich aus Brachflächen, den ehemals "verbotenen", da in aller Regel mit hohen Mauern oder Zäunen abgegrenzten und teilweise kontaminierten Betriebsstandorten. Räumlich eng verzahnt, kommen weitere Elemente hinzu: die Bergehalden, die Werkssiedlungen und Zechenkolonien, die dichten Netze der Schienenstränge und Bahndämme, Werksstraßen, Abwasserkanäle, Wasserwege, Häfen, Rohrtrassen (Fernwärme, Gichtgase, ...) und Hochspannungsleitungen.

Über die allzu hitzigen und ungesteuerten städtischen Wachstums- und Verdichtungsprozesse der Infrastruktur, der Betriebs- und Wohnstätten in der Hochindustrialisierung hatte man an urbane Elemente wie Verkehrserschließung, Stadtgestaltung, Bildung, Kultur und Erholung noch nicht gedacht. Zwar besserte man nach: Der Bau von Schnellstraßen, Hochschulen und Revierparks, Hallen- und Freibädern boomte in den 1960er und 1970er Jahren. Sozialer Wohnungsbau, Wohnumfeldverbesserung, Grün- und Freiflächensicherung, die Ausweisung und Pflege weiträumiger Erholungsgebiete an den Ballungsrandzonen vermochten aber nicht die Stadtflucht, den Wunsch nach dem Haus im Grünen, zu schmälern.

Zurück blieben die immobileren, häufig auch benachteiligten Menschen: die Armen, Alten, Alleinerziehenden, Ausländer und Arbeitslosen - nicht selten in sog. Problemvierteln konzentriert. Die Pendelmobilität zu den neuen Arbeitsstätten, den Büros und Shoppingcentern nahm ein kaum noch zu verkraftendes Ausmaß an. Das Modell der funktionsteiligen Auto-Stadt, wie im Entwurf der sog. ?Charta von Athen? vorgestellt (hierzu siehe Artikel ?1. Nachkriegszeit? im Folgenden bzw. Glossar ?Charta von Athen?), stößt heute allenthalben an seine Grenzen.

Im Erbe der Montanindustrie sind aber auch die "Kathedralen der Industriegesellschaft", die Industriedenkmäler und mit ihnen die Basis der "Industriekultur" enthalten. Gerade die riesigen industriellen Brachflächen - sie mögen mehr oder weniger kontaminiert sein - bieten eine "Jahrhundertchance der Stadtentwicklung". Sind sie doch in aller Regel selbst ehemalige Kerne der Siedlungen (vor allem die Zechen) oder in unmittelbarer Citynähe angesiedelt wie die (ehemaligen) Stahlwerke in Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Oberhausen, Mülheim an der Ruhr, Bochum, Dortmund usw.

Die Umnutzungschancen der Brachflächen wurden eher mit weniger als mehr Erfolg genutzt, vornehmlich dem Konsum- und Freizeitmarkt dienend. Die Neunutzungen ließen sich nur selten von gesamtstädtischen Planungen oder - falls denn vorhanden - von Leitbildern irritieren. Mit Ausnahme der Ansätze der Internationalen Bauausstellung Emscher Park waren sie nie in regionale oder gar nachhaltige Konzepte eingebunden.

Dieser "Mainstream" von kurzatmigen Investoren-Wettläufen hat zu einem Flickenteppich eines punktuell renovierten Ruhrgebietes geführt, aber keinen wirklichen Schritt zu einem neuen Ruhrgebiet getan. Das erscheint zu wenig: Die demographische Herausforderung wird eine Herausforderung an die Erneuerungskraft der Städte und Region sein. Man wird sich ihr nicht stellen können, ohne den zu erwartenden massiven Schub an Bevölkerungs-, Humankapital-, Unternehmens-, Arbeitsplatz- und Kaufkraftverlust in die Planungen einzubeziehen. Zunächst aber müssen Schrumpfungsprozesse enttabuisiert, nicht als Misserfolg, sondern als Chancen der Stadterneuerung begriffen werden, vor allem aber als Forderung nach Kooperation und Bündelung der Kräfte.

Die Themen zur Rubrik der Stadterneuerung geben Einblicke in die jüngere Stadtentwicklung, den Wohnwert und das Verhältnis von Stadt, Natur und Freiflächen. Industriekultur und Brachflächen als Zukunftspotenziale runden die Thematik ab.