Bodensperre

Logos von Opel und Ford
Quelle: www.opel.de und www.ford.de
In der Zeit bis Ende der 1960er Jahre, in der man die Montankrisen lediglich als konjunkturellen Einbruch und nicht als strukturellen Umbruch erachtete, versuchten besonders die Stahl- und Bergbaukonzerne die Ansiedlung von neuen Unternehmen zu verhindern (vgl. Thema "Krise des Montansektors").

Mit ihrem immensen Landbesitz - bis zu 30 % der Gesamtfläche einer Ruhrgebietsgemeinde konnten aus Betriebsflächen, Werkssiedlungen oder Erweiterungsflächen bestehen - verfügten die Stahl- und Bergbaukonzerne "über eine sehr effiziente 'Bodensperre'", mit der sie "unliebsame Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt - ansiedlungswillige Großbetriebe der nächsten Technologiegeneration (Auto-, Elektro-, Chemieindustrie) - aus ihrer Region fernhalten konnten" (Butzin 1993, S. 5). Sicher spielte auch die Furcht vor Regress-Verpflichtungen bei auftretenden Bergsenkungen und daraus entstehenden Schäden an den baulichen Folgenutzungen eine Rolle.

So wurden u.a. die Ansiedlungspläne von Ford, VW und Schering im Ruhrgebiet vom Bergbau blockiert, da sie Konkurrenten um qualifizierte Arbeitskräfte darstellten. Das einzige realisierte Ansiedlungsprojekt eines Großbetriebes war das Opel-Werk in Bochum. Nähere Informationen zum Opel-Werk in Bochum finden sich auf der Vertiefungsseite.

Die Bodensperre wog in der Folgezeit um so schwerer, als das Ruhrgebiet so von einer ganzen basistechnologischen Generation ausgeschlossen wurde, der sog. Vierten Kondratieff-Welle, geprägt von der Kombination Chemie, Energie und Fahrzeugbau (s. Thema "Megatrends des gesellschaftlichen Umbruchs"). Anfang der 1960er Jahre versuchte der Automobilkonzern Ford ein Werk im Ruhrgebiet zu errichten. Die Verhandlungen mit Herten, Unna, Dortmund und Hamm scheiterten.

Die entsprechenden Unternehmen und Technologien entfalteten sich vielmehr in der Rheinschiene (Köln: Ford-Werke; Jülich: Kernkraft/Forschung; Leverkusen: Chemie) mit ihren umfangreichen Neuerungsimpulsen und Multiplikatorwirkungen an Zulieferern, im Bau- und Transportwesen sowie in unternehmens- und haushaltsorientierten Dienstleistungen.
Damit gingen die zeittypischen wirtschaftsstrukturellen Modernisierungs- und Diversifizierungsimpulse - mit ihnen die Entwicklungsdynamik - am Ruhrgebiet vorbei. Dem regionalwirtschaftlichen Niedergang wurde konzeptionell durch Erhaltungssubventionen bzw. "soziale Abfederung" und zeitliche Streckung der montanindustriellen Strukturen begegnet.

Erst die Einrichtung des Grundstückfonds Ruhr und der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) im Rahmen des Aktionsprogramms Ruhr (1980) vermochte es, diese Bodensperre wirksam aufzuheben (vgl. Goch 2000, S. 321 und Thema "Strukturpolitik für das Ruhrgebiet"). Nach einigen Erfolgen von Zweigwerkansiedlungen (Beispiele sind Nokia/Bochum, Blaupunkt/Herne, Siemens/Witten) war aber bald das Potenzial an umsiedlungswilligen Unternehmen erschöpft. Es sollten noch weitere Jahre verstreichen, in denen die industriellen Brachflächen wuchsen. Bis Ende der 1980er Jahre die Zeit im Sog der neuen Technologien (Fünfte Kondratieff-Welle) sowie einer ihr entsprechenden Technologiepolitik reif war, sich von dieser Erblast zu befreien und eine Neu-Industrialisierung anzugehen (siehe auch Thema "Strukturpolitik für das Ruhrgebiet" und die Themen in der Rubrik "Erneuerung der Wirtschaft").

Auch war es erst jetzt möglich, das lebensweltliche und regionalökonomische Negativ-Image - die wohl härtesten Formen der so entscheidenden "weichen Standortfaktoren" - unter anderem durch das Wirken der RVR-Image-Kampagnen und der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park aufzubrechen (s. Themen in der Rubrik "Erneuerung stadtregionaler Räume").