Hellwegzone

Bereits vor dem eigentlichen Aufbruch der schwerindustriellen Entwicklung, in den 1840er Jahren, bildeten die Hellwegstädte von Mülheim bis Unna die wichtigste Städtereihe der Region (Köllmann 1990, S. 103). Die Bevölkerungszahlen bewegten sich jedoch auch hier zwischen bescheidenen 4.500 und 11.000 Einwohnern.
Die Hellwegzone
Quelle: Autorenteam
Aber die Initialzündung hatte bereits stattgefunden: Zwischen 1837 und 1839 gelang auf der Zeche Kronprinz in Bergeborbeck (im Essener Norden) die technische Meisterleistung, die mehrere hundert Meter mächtige Mergeldecke zu durchstoßen, und die enormen Wassermengen aus der Tiefe abzupumpen. Es konnte so erstmalig die verkokbare Fettkohle erschlossen werden (vgl. Thema "Kohle"). Koks aber war die Voraussetzung für die moderne Eisen-Verhüttungstechnik. Konnte das Ruhrgebiet bis in die 1830er Jahre gerade einmal 5 % der Roheisenproduktion Deutschlands herstellen, so änderte sich diese Situation nach 1849, dem Jahr der Inbetriebnahme des ersten Koks-Hochofens in Mülheim, rasant (vgl. Schlieper 1986, S. 35).
Essen um 1850
Quelle: RVR Fotoarchiv
Der Hellwegraum war bis zu dieser Zeit eine Getreidebörde mit Dörfern und kleinen Städten. Die Städte Duisburg, Mülheim, Essen, Bochum und Dortmund hatten historisch gewachsene Stadtkerne, um die sich die Gewerbe- und Wohnviertel schalenförmig angelagert hatten. Die neuen Siedlungen für die Bergleute gründete man dagegen in der Nähe der Zechen, deren Standorte nach kohlewirtschaftlichen sowie besitzrechtlichen Gesichtspunkten bestimmt worden waren und die oft auf Feldern und Wiesen entstanden.
Rathaus in Bochum
Quelle: Stadtarchiv - Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte
Der Bergbau schuf so das disperse Siedlungsmuster der großen "Industriedörfer". Relativ gleichmäßig über den Raum verteilt, löste er deshalb keine städtebildenden Funktionen aus (Steinberg 1995, S. 134). Auch der Infrastrukturausbau folgte ganz dem Bedarf der Zechen. Straßen, Schiene sowie Ver- und Entsorgungsbänder waren auf die Bergbaustandorte ausgerichtet. Der Bergbau ist damit für die Basis des heutigen polyzentrischen Metropolitanraumes verantwortlich, dem die Kritiker defizitäre Urbanität, die Visionäre aber Modellqualität für eine neuartige, zukunftsfähige Urbanität im Sinne der "Zwischenstadt" bescheinigen (vgl. Sieverts 1998, S. 19f.).
Die Bedeutung des Bergbaus trat in der Hellwegzone bald hinter die der Metallindustrie zurück. Ihren Auf- und Ausbau lenkten ganz andere Faktoren. Sie suchte das städtische Arbeitskräftepotenzial und daher die Nähe der Hellwegstädte, gab also agglomerationsverstärkende und städtebildende Impulse. Ihre riesigen innenstadtnahen Areale bieten - einmal brachgefallen - heute eine "Jahrhundert-Chance" der Stadterneuerung (vgl. Thema "Industriebrachen"). Die zentralörtliche Vorrangstellung der Hellwegstädte begründet sich daher in zwei Ursachenbündeln: Zum einen wurden die Hellwegstädte als erste von der neuen Symbiose von Kohle und Stahl erfasst. Zum anderen konnte sich in der Emscherzone keine zentralörtliche Konkurrenz bilden, da die Bergbaustandorte den ohnehin unbedeutenden Siedlungsansätzen kaum Impulse gaben und überdies der historische Startvorteil der Hellwegzentren uneinholbar war - und ist.