Vertiefung: Klimawandel

?Im Sommer 2003 starben allein in Frankreich rund 15.000 Menschen infolge der großen Hitze, für ganz Europa werden Zahlen zwischen 25.000 und 60.000 genannt. Hitze wirkt sich in verschiedener Weise auf den Menschen aus: zum einen kann sie direkt über Salz- und Flüssigkeitsverlust, Versagen der Temperaturregulation des Organismus oder über Herz-Kreislauf-Versagen zu Krankheit und Tod führen, andererseits sind Personen mit Vorerkrankungen auch bereits bei relativ moderaten Temperaturen durch die erhöhte Kreislaufbelastung gefährdet. Dabei wird kurzzeitiger Hitzestress von den meisten Personen noch relativ gut toleriert, während länger dauernde Hitzeperioden (vor allem mit mangelnder Abkühlung in der Nacht) das Gesundheitsrisiko erhöhen.

Es ist davon auszugehen, dass im Zuge des Klimawandels die Zahl der Hitzetage zunehmen und dies auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen haben wird. Im Rahmen von StartClim2005 wurde erstmals für Österreich untersucht, wie sich Temperatur und Hitztage auf die Todes- und Krankheitsfälle auswirken, und welche weiteren Entwicklungen erwartet werden können. Dabei wurde der Einfluss der moderaten Temperaturen getrennt von dem extremer Hitzeperioden untersucht, weil beide eine andere Vorsorgestrategie erfordern.

Es ist bekannt, dass es einen Temperaturbereich gibt, in dem die Sterblichkeit ein Minimum aufweist. Zu niedrigeren Temperaturen hin nimmt sie allmählich zu, zu höheren Temperaturen aber wesentlich schneller. In unseren Breiten liegt die geringste Sterblichkeit bei etwa 20°C. Es werden jedoch zwischen Regionen geringfügige Unterschiede in der Temperaturabhängigkeit der Sterbehäufigkeiten beobachtet, die darauf hindeuten, dass sich die Menschen längerfristig an die lokalen klimatischen Gegebenheiten anpassen könnten. Wahrscheinlich spielt hier weniger eine (kurzfristige) Verhaltensadaptation eine Rolle, sondern Unterschiede im Wohnbau sowie der Regional-, Raum- und Stadtplanung, die an das lokale Klima angepasst sind. Entsprechend erfordert auch die in Zusammenhang mit dem Klimawandel stattfindende und noch zu erwartende Änderung der Durchschnittstemperaturen langfristige Adaptationsstrategien auf diesen Ebenen. Anders sieht es bei den Hitzeepisoden aus, die so selten auftreten, dass weniger bauliche Präventionsmaßnahmen, sondern vielmehr kurzfristige Aktionen mit Aufklärung der Bevölkerung und verstärkter Obsorge und Bereitschaft im Gesundheitswesen als sinnvoll anzusehen sind.

In der Literatur finden sich verschiedene Maße zur Definition von Hitzeperioden. In dieser Arbeit wurde die Definition von Kysely verwendet, die für Mitteleuropa entwickelt wurde: Perioden von mindestens 3 Tagen, in denen die Tagesmaxima im Schnitt über 30°C liegen und an keinem Tag unter 25°C sinken, gelten als Hitzeperioden. Die in solchen Perioden liegenden Tage werden im Folgenden als Kysely-Tage bezeichnet. Im statistischen Modell wurde der Einfluss der (moderaten) Temperaturen auf die tägliche Sterblichkeit als Polynom abgebildet, während Kysely-Tage als binäre Variable eingingen.

An insgesamt 206 Kysely-Tagen der Jahre1990 ? 2004 starben in Wien im Durchschnitt 53,91 Personen täglich, während an den restlichen Sommertagen (Juni-August) nur 46,58 Personen im Tagesmittel starben (Tab. 1). Dies entspricht einer Zunahme um 15,75%. Im komplexeren statistischen Modell wurden die Effekte der moderaten Temperaturunterschiede und der extremen Episoden getrennt ausgewertet. Dies führt zu einer Reduktion des Einflusses der Kysely-Episoden und ergab eine Zunahme von nur 7,8%. Die Differenz zwischen berechneter (7,8%) und gezählter (15,75%) Übersterblichkeit entspricht dem Effekt der moderaten Temperatursteigerung. Die Unterscheidung der Effekte von moderater und extremer Temperatur bringt es also mit sich, dass die Zunahme der Mortalitätsrate an Hitzetagen geringer eingeschätzt wird als es einer reinen Zählung und Gegenüberstellung der Rohdaten entspräche.?

Quelle: Institut für Meteorologie (Hg.) (2006): Klimawandel und Gesundheit. Endbericht zum Projekt StartClim 2005. Wien: Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Institut für Meteorologie, Department für Wasser-Atmosphäre-Umwelt, S. 20f.