Vertiefung: Frauen planen und bauen - Ein Wohnungsprojekt in Bergkamen

Ein Ziel der Internationalen Bauausstellung IBA Emscher Park war es, die Partizipation von Frauen nicht nur auf einige wenige Projekte zu beschränken, sondern die Beteiligung "querschnittorientiert bei allen Projekten der Emscher Park Bauausstellung" anzustreben (IBA 1991, S. 79).

Bereits zu Beginn der IBA gründete sich der Arbeitskreis "Frauen und IBA" um einer unzureichenden Berücksichtigung von Fraueninteressen beim Planen und Bauen entgegenzuwirken. 1989 konstituierte sich dieser Arbeitskreis aus einem Zusammenschluss der kommunalen Frauenbeauftragten, Planerinnen der Universität Dortmund und der "Feministischen Organisation von Planerinnen und Architektinnen" (FOPA e.V.) sowie Vertreterinnen und Initiatorinnen von Frauenprojekten (Karhoff 1994, S. 62).
Der Arbeitskreis "Frauen und IBA"
Quelle: IBA 1991, S. 79 (Foto: IBA Emscher Park, Georg Anschütz)
Ausgangspunkt dieser Initiative war die Erfahrung, dass im konventionellen Wohnungsbau die Wohnbedürfnisse von Frauen oftmals nur unbefriedigend Berücksichtigung gefunden hatten. Ziel des Projektes "Frauen planen und bauen" in Bergkamen war die Umsetzung der von Frauen formulierten Defizite des Wohnungsbaus. Wohnungen auf der Projektfläche - einer Baulücke in der Ebertstraße 22 - sollten von Frauen mit Nutzerinnen-Beteiligung geplant und realisiert werden. Dabei spielten Wohnungsgrundrisse mit flexiblen, individuell und gemeinschaftlich nutzbaren Raumangeboten eine zentrale Rolle. Man wollte sowohl die Wohnbedürfnisse von Frauen in bestimmten Lebenssituationen berücksichtigen als auch Wohnraum für Familien bieten und dabei Qualitätsansprüchen der Freiraumgestaltung Rechnung tragen (IBA 1991, S. 80).
Nach Entwicklung der Projektidee wurde die Zielsetzung dem Lenkungsausschuss der IBA durch die Stadt Bergkamen und die Wohnungsbaugesellschaft vorgelegt. In einem zweiten Schritt befragte man die potenziellen Nutzergruppen, um die spezifischen Anforderungen an dieses Projekt zu ermitteln. Begleitet wurde das Vorhaben von einer örtlichen Arbeitsgruppe.
Weitere Vorgaben an das Projekt waren, dass
  • das Angebot der Wohnmöglichkeiten für die unterschiedlichsten Lebensformen attraktiv,
  • die Siedlung einen Verknüpfungspunkt zwischen den beiden Innenstadtbereichen Bergkamens bildet,
  • die Freiflächengestaltung "den unterschiedlichsten Ansprüchen an wohnungsnahen Erholungs- und Grünflächen, Wegeverbindungen und Erschließungswegen gerecht werden [...]" ( IBA 1991, S. 80),
  • Gemeinschaftsräume integriert werden und
  • die Grundrissvarianten vielseitig nutzbar und flexibel sein sollten (IBA 1991, S. 80).

Im Jahr 1990 wurde eine Projektwettbewerb ausgeschrieben, an dem ausschließlich Frauen teilnehmen durften. Im Januar 1991 entschieden zwei Bielefelder Architektinnen den Wettbewerb für sich. "Ihr Entwurf sieht 25 Wohneinheiten vor, deren Raumaufteilungen durch gleichgroße Zimmer gekennzeichnet ist. Es besteht die Möglichkeit zur Vergrößerung von Wohnungen durch Zuschalten eines Raumes, Wohnküchen sind variabel zu gestalten, alle Räume sind gut belichtet (auch die Bäder), ausreichende Abstellflächen sind eingeplant, und bei größeren Wohnungen sind mehrere Wohnungseingänge vorhanden" (IBA 1991, S. 81).
Das Projekt lässt sich positiv bilanzieren: Die Treppenhäuser sind von außen gut einsehbar und ohne dunkle Ecken, die "Angsträume" sind ebenso wie der Straßenverkehr reduziert. Andere positive Aspekte liegen in den Kinderbetreuungsmöglichkeiten, einem guten nachbarschaftlichen Umfeld, Gästewohnungen und Partyraum existieren als Gemeinschaftseinrichtungen. Es finden sich aber auch (vermeidbare) Mängel bei der Projektverwirklichung. Zum Beispiel fehlten Abstellplätze für Kinderwagen (Novy 1999, S. 95f).
  • Internationale Bauausstellung Emscher Park GmbH (IBA) (Hrsg.) (1991): Frauen Planen Bauen Wohnen. Katalog zur Ausstellung der Internationen Bauausstellung Emscher Park. Dortmund: Montania
  • Karhoff, B. (1994): Frauen planen und bauen - Modelle für die IBA?! In: Initiativkreis Emscherregion e.V. (Hrsg.): IBA. Inspektion von unten. Strukturwandel im Ruhrgebiet IBA Emscher Park: Eine Strategie? Kongress-Dokumentation, S. 62-63, Essen
  • Novy, B. (1999): Europhie und Normalität nachbarschaftlicher Gemeinschaftsprojekte. Geschichten aus drei Siedlungen. In: Beierlorzer, H.; Boll, J.; Ganser, K. (1999): Siedlungskultur: Neue und alte Gartenstädte im Ruhrgebiet, S 95 f., Braunschweig