Vertiefung: Einfach und selber bauen

Zwei Komponenten der Wohnversorgung im Ruhrgebiet werden mit der Projektstrategie "Einfach und selber bauen" miteinander verbunden (Beierlorzer, Boll, Ganser 1999, S. 65): das eigenheimähnliche Wohnen und die soziale Wohnvorsorge.
"Einfach und selber Bauen": Fassade einiger Häuser der Siedlung in Gelsenkirchen-Bismarck
Quelle: Autorenteam
Diese Projektreihe wollte der Zersiedlung von Stadträndern im Ruhrgebiet dadurch entgegenwirken, dass innerstädtische Brach- und Freiflächen mit gestalterisch geschlossenen Eigenheimsiedlungen bebaut wurden. Zudem sollte neben einer städtebaulichen und sozialen Integration der Siedlungen auch eine lokale Ortsbindung und Identität entstehen. Diese Projektreihe zeichnet sich durch die Orientierung auf eine besondere Zielgruppe, auf geringverdienende Haushalte mit Kindern aus. Eben diese Bevölkerungsgruppen sollten unter Maßgabe weitgehender Flächenschonung mit qualitätsvollem Wohnraum versorgt werden, ohne auf die üblichen Geschossbau-Mietwohnungen zurückgreifen zu müssen.
Drei Komponenten bestimmten das Projekt "Einfach und selber bauen":
  • qualitativ gutes, aber kostengünstiges Bauen,
  • Bauen in der Gruppe und
  • die Möglichkeit der Selbsthilfe für die Baufamilien als "Muskelhypothek" zur Reduzierung der Finanzierungskosten (IBA 1996, Seite 5).

Der Anreiz für Bauherren, sich auf das "Abenteuer des Selberbauens" einzulassen, lag in verschiedenen Komponenten: Zum einen folgten die Häuser den üblichen technischen Standards, Qualitätsvorschriften und DIN-Normen. Darüber hinaus waren die Bauvorhaben durch die "Muskelhypothek" genannte Selbsthilfe relativ kostengünstig und somit auch für Kleinverdiener erschwinglich. Die Bauherren konnten unter fachmännischer Anleitung und Betreuung den Rohbau selbst bewerkstelligen. So wurden die Baukosten gesenkt und eine günstige Finanzierung gewährleistet. Bei einem Einsatz von 1.000 bis 1.500 Selbsthilfestunden konnten im Regelfall etwa 9.000 Euro pro Wohnung eingespart werden (IBA 1996, Seite 5).
Die Evangelische Gesamtschule entstand in Zusammenhang mit dem Projekt
Quelle: Autorenteam
Die fachmännisch angeleitete Koordinierung des Bauvorhabens "in der Gruppe" ermöglichte zusätzliche Kostenersparnis und sicherte eine abgestimmte harmonische Gesamtgestaltung der Siedlung. Elemente wie Ersatz von unterirdischen Kellern durch oberirdische Neben- und Abstellräume oder "gemeinsame Technikzentralen für Heizung, Strom- und Wasserversorgung als Ersatz für individuelle Hausanschlüsse und individuelle Haustechnik" runden die kostenoptimierten Einzelaspekte der Gebäudeplanung ab (IBA 1996, Seite 11).
In der Regel entstanden Reihen- oder Doppelhäuser aus Holzkonstruktionen, die mit vergleichsweise wenig Wohnfläche dennoch gut nutzbar sind. Man reduzierte die bei Eigenheimen übliche Wohnfläche von 110 bis 130 m² auf die für den Mietwohnungsbau gewohnten 80 bis 100 m². Der zugehörige Garten und das kinderfreundliche Wohnumfeld sollten dabei eine Kompensation der verringerten Wohnfläche anbieten. Zudem wurde darauf geachtet, dass genügend Platz für ökologisch und sozial integrierende Elemente wie Feuchtbiotope, Gemeindehaus oder Spielplätze blieb (Beierlorzer, Boll, Ganser 1999, S. 68).

  • Beierlorzer, H., Boll, J., Ganser, K. (1999): Siedlungskultur: Neue und alte Gartenstädte im Ruhrgebiet, Braunschweig
  • Internationale Bauausstellung Emscher Park GmbH (IBA) (Hrsg.) (1996): Einfach und selber bauen. Siedlungen in der Tradition der Gartenstadt. Eigenheime für "kleine Leute". Eine Zwischenbilanz. O.O.: O.V.