Vertiefung: "Arbeiten im Park"

Mithilfe der 1987 entwickelten Leitidee des 'Arbeitens im Park' wurden die veränderten Leitbildern für den Städtebau in einem Konzept vereinigt. Dieses Konzept favorisiert nach der IBA Emscher Park (dazu ausführlich und kritisch: Müller & Schmals 1993) auch die LEG NRW.

Als grundlegende, oft in Verbindung mit der o.g. Leitidee genannte Kriterien zur Neunutzung von ehemaligen Industrieflächen lassen sich aus der Literatur folgende ableiten (BfLR 1996, Reiß-Schmidt 1992, Tiggemann 1995):
  • Der Anteil überbauter und versiegelter Flächen ist in Grenzen zu halten. Zum Teil wird ein Grünflächenanteil von über fünfzig Prozent als Richtwert angegeben, wobei eine Biotopvernetzung und die Präsentation integrierter Freizeitangebote berücksichtigt werden soll.
  • Dieses Leitziel steht in Verbindung zu dem Anspruch, das jeweilige Gelände in das gesamtstädtische Grünflächensystem sowie in ein Fuß- und Radwegenetz einzubinden.
  • Ferner sollte das Areal Flächen sparend erschlossen sein und eine gute ÖPNV-Anbindung aufweisen. Die Ränder der Fläche sollen mit der umliegenden Landschaft oder Bebauung abgestimmt, öffentliche Räume differenziert angelegt werden.
  • Außerdem werden flexible Grundstückszuschnitte ebenso wie akzentuierende Bebauung unter Berücksichtigung der Prinzipien des ökologischen Bauens angeraten.
  • Emissionsschutz sowie Ver- und Entsorgungsanlagen bzw. -maßnahmen sollen bedarfsorientiert entwickelt und idealerweise gemeinschaftlich betrieben werden.
  • Versucht werden soll weiter, "die Wasser- und Energieversorgung sowie Abwasser- und Abfallentsorgung überbetrieblich und ortsnah zu lösen".
Mit dem Konzept "Arbeiten im Park" hat die IBA Emscher Park eine neue Generation von Gewerbe-, Dienstleistungs- und Technologieparks ins Leben gerufen. Das Ziel ist, unter Beachtung ökologischer Gestaltungsmerkmale, moderner Gewerbe- und Landschaftsarchitektur sowie "intelligenter" Erschließungs-, Ver- und Entsorgungssysteme attraktive Standorte für kleine und mittlere Betriebe möglichst mit hoher Arbeitsplatzintensität zu schaffen. Die IBA hat unter diesem Leitbild etwa 20 Projekte ins Leben gerufen.

Ausgewählte Beispiele sind:
  • der Wissenschaftspark Gelsenkirchen,
  • die Zeche Holland in Bochum-Wattenscheid,
  • der Dienstleistungspark auf dem Kruppgelände Bochum-West,
  • das Gründerzentrum Arenberg in Bottrop,
  • der Gewerbepark Erin in Castrop,
  • der Duisburger Innenhafen,
  • die Zeche Zollverein in Essen-Katernberg und
  • das Technologiezentrum Umwelt in Oberhausen.
Die Landesentwicklungsgesellschaft/LEG hat das Leitbild von Anfang an begleitet und nach der IBA weiterentwickelt.

Das wohl ambitionierteste Projekt, die Anbindung der Universität an die Innenstadt, entsteht in Essen in unmittelbarer Nähe zur Weststadt (s. o.). Das Universitätsviertel bildet künftig das Bindeglied zwischen Universität und Innenstadt. Es ist Bestandteil der stadtentwicklungspolitischen Zielsetzung, die Stadt Essen von innen heraus zu erweitern, die Innenstadterweiterung in Richtung Westen bis hin zum künftigen ThyssenKrupp-Quartier. Es verbindet auf der Fläche des Güterbahnhofs Nord die Innenstadt mit dem Universitätsviertel. Auch hier dominiert der Leitgedanke einer vielfältigen, möglichst "bunten" Nutzungsmischung von Wohnen, Freizeit, Kultur, Sport und Büros. Die Projektplanung setzte im Jahr 1999 - erstmalig in Nordrhein-Westfalen - das neuartige Planungsinstrument der "Community Planning" - in Deutschland als "Perspektivenwerkstatt" bekannt geworden - ein. Hierbei werden unter Leitung eines Londoner Planungsbüros die Leitgedanken der "partizipativen Planung" konsequent umgesetzt: Alle betroffenen und interessierten Bürger werden aktiv und intensiv in den Planungsprozess einbezogen, der so eine enge Verzahnung von professioneller und bürgerorientierter Planung anstrebt und hohe Akzeptanz verspricht. Jedoch folgt eine vergebliche Investorensuche, um die Pläne umzusetzen. Daher kann dieser Versuch Planung partizipativ zu realisieren als gescheitert angesehen werden.

Auch die Wirtschaftsförderung in Duisburg setzt mit dem Projekt "RheinPark Hochfeld" auf dieses Konzept. Die Planung steht unter dem Motto "Duisburg an den Rhein" und sieht vor, vier innerstädtische (Industrie-)Flächen entlang des Hochfelder Rheinufers zu entwickeln und miteinander zu verbinden. Zudem soll über freiwerdende Bahntrassen und eine Kette von Grün- bzw. Freiflächen der Hauptbahnhof und das Projekt "Multi Casa" (Einzelhandel, Gastronomie, Freizeit, Kultur) mit dem Rhein verbunden werden. Als dritter Ankerpunkt wird der Duisburger Innenhafen einbezogen. Mit diesem innenstädtischen Entwicklungskonzept versucht man, ein zeitgemäßes Mischungsverhältnis zwischen Arbeiten, Wohnen und Erholen in Duisburg sicher zu stellen. Auch hier konnte das Projekt nicht umgesetzt werden. Das Thema "Multi Casa" ist inzwischen fallengelassen worden, dafür sind in der Innenstadt neue Einzelhandelsflächen im Forum-Duisburg und dem Casino Duisburg entstanden.
Der ursprüngliche Gedanke des IBA-Leitprojekts "Arbeiten im Park" war jedoch eine stärker innerstädtisch integrierte Umnutzung. Das Beispiel des Wissenschaftsparks Gelsenkirchen erscheint für diese erste Generation des Leitprojekts typisch.
Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Quelle: RVR-Fotoarchiv (Liedtke)
Im Stadtteil Gelsenkirchen-Ückendorf gelegen, ist auch dieser dichtbesiedelte, stadtintegrierte Standort des ehemaligen Thyssen-Gussstahlwerks und der Zeche Rheinelbe jahrzehntelang von Kohle und Stahl geprägt worden. Die neue anspruchsvolle und mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnete Architektur, geprägt von Glasfassaden, Solarenergie und wasserreichem (Park-)Landschaftsbau galt der Einrichtung einer neuen Nahtstelle zwischen Wissenschaft, Forschung, Fortbildung und praktischer Umsetzung in kleinen und mittleren Dienstleistungsunternehmen.

Neun dreistöckige Büropavillions werden durch eine dreihundert Meter lange Glas-Arkade verbunden, die Platz für Ausstellungen, Kommunikation, Gastronomie und Tagungsstätten bietet. Die Glasfassade steht in spannungsreichem Kontrast zu dem benachbarten und denkmalsgeschützten Thyssen-Verwaltungsgebäude. Das große Solardach soll demonstrieren, wie "Solarfarmen" auch ohne große Flächenvernichtung im Umland in Ballungsräumen errichtet werden können. Den Nachhaltigkeitsgedanken hat man auch in seiner sozialen Dimension berücksichtigt: Eine Kindertagesstätte gibt Eltern die Chance zur Berufssausübung. Die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit hat nicht nur in der alternativen Energieversorgung, sondern auch in der großzügigen Wasserfläche als Regenrückhaltebecken und Ausgleichselement für das Lokalklima seinen Niederschlag gefunden.

In den benachbarten Gebäuden der Zeche Rheinelbe hatten die IBA-Verwaltung und die Fortbildungsakademie des Landesministeriums für Bauen und Wohnen ihren Sitz.

Selbst wenn man im Wissenschaftspark Anfang des neuen Jahrzehnts angesichts der weltweiten Wirtschaftsflaute mit Leerständen zu kämpfen hat und so manche gut erdachte Konzeptidee sich nicht hat umsetzen lassen, so steht der Wissenschaftspark Gelsenkirchen doch für das internationale hoch geschätzte Auftakt- und Paradebeispiel einer neuen Generation von Standort- und Arbeitsqualität, von "Arbeiten im Park".

Fraglich bleibt allerdings auch hier - wie bei manchen ähnlich konzipierten Projekten - ob dieses Flagship-Projekt seinen "Schiffsverband", d.h. auch die lokalen Stadtquartiere, mitnimmt oder eher im Bild des "Leuchtturms" weithin strahlt, aber die unmittelbare Umgebung im Dunkeln lässt.
Das Tagungshotel Lichthof
Quelle: Tagungshotel Lichthof
  • BfLR/Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.) (1996): Nachhaltige Stadtentwicklung. Herausforderungen an einen ressourcenschonenden und umweltverträglichen Städtebau. Bonn: BfLR
  • Müller, S., Schmals, K. M. (Hrsg.) (1993): Die Moderne im Park? Ein Streitbuch zur Internationalen Bauausstellung im Emscherraum. Dortmund
  • Reiß-Schmidt, S. (1992): Städtebauliche Planungskonzepte für den Umgang mit Industrieflächen. In: LÖLF-Mitteilungen, Heft 2
  • Tiggemann, R. (1995): Die LEG NRW GmbH. Ziele, Aufgaben und Perspektiven bei der Reaktivierung von Altstandorten, S. 50. In: Genske, D.; Noll, H.-P. (Hrsg.): Brachflächen und Flächenrecycling. Berlin