Vertiefung: Gründe für den Geburtenrückgang (Deutschland; Auswahl)

  • ökonomische Theorien des generativen Verhaltens
    (1950er und 60er Jahre) Annahme, dass Ehepaare Kinderzahl auf Grund ungefährer Kosten-Nutzen Erwägungen bestimmen; heute bewirken Kinder i.A. eine Schmälerung des familiären Lebensstandards;
  • Aufkommen neuer Familienformen
    • sinkende Heiratsbereitschaft, steigende Scheidungsraten;
    • Massenmedien und außerfamiliäre Sozialisierung: Abbau des elterlichen Einflusses auf Erziehung und damit Schwinden tradierter Werte;
  • Frauenerwerbstätigkeit
    Emanzipation: Geändertes Rollenverständnis und Rollenverhalten der Frau; mit dem Ausmaß der Frauen-Erwerbstätigkeit sinkt die Anzahl der Kinder;
  • Fehlen einer kindgemäßen Umwelt
    Enge /teure Wohnungen; Lärm, Gefahr durch Verkehr, fehlende Spielmöglichkeiten und gleichaltrige Kinder: Fortzug, Aufschieben oder Aufgabe des Kinderwunsches
  • Fortgang des Säkularisierungsprozesses
    Lösung von kirchlichen Bindungen; Kirche rückt von früherer Sozialethik des unbedingten Fruchtbarkeitsgebots ab hin zur "verantwortlichen Elternschaft";
  • Pessimistische Zukunftsbeurteilung
    Im Zeichen des gesamtgesellschaftlichen Umbruchs mit Erscheinungen der "neuen Unübersichtlichkeit" (J. Habermas) und der identifizierten "Risikogesellschaft" (U. Beck) werden traditionelle Sicherheiten in Politik (SPD: Agenda 2010 Schröder / Clemens); Wirtschaft ("job-loss growth"); weltwirtschaftliche (Aktien- / Banken-Krisen / Rezessionen) und institutionelle Sicherheiten (Generationenvertrag; sozialer Wohlfahrtstaat nicht mehr bezahlbar; Soziale Sicherungssysteme; Arbeitslosenbezüge) in Frage gestellt; vielen Menschen erscheint es unverantwortlich, Kinder in die(se) Welt zu setzen;
  • Verbesserte Möglichkeiten der Empfängnisverhütung
    Dieser Faktor darf nicht als Ursache für den Geburtenrückgang geltend gemacht werden; er erscheint eher als Mittel, die aus anderen Gründen getroffene Entscheidung auch umzusetzen.


Quelle: Bähr, Jürgen (unter Mitwirkung von Paul Gans) (2010): Bevölkerungsgeographie. Stuttgart: UTB 1249, 5. Aufl., S. 193-195