Aktuelle Entwicklungskonzepte der Metropole Ruhr

Städteregion Ruhr 2030 und Masterplan Ruhr (Januar 2006)

Institutionelle und konzeptionelle Basis für die verschiedenen Handlungsfelder der Städteregion 2030 bzw. des "Städtebunds 2030" ist das Projekt "Städteregion 2030": Acht Städte (Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen) haben im Jahr 2000 zu einem Projekt zusammengeschlossen, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung getragen wurde.
LOGO der ?Städteregion Ruhr 2030?
Quelle: Internet 1
Ziel des Forschungsprojektes - moderiert von der Universität Dortmund, Fakultät Raumplanung - war es, aus der vorherrschenden Einstellung interregionaler Konkurrenz Wege für mehr interkommunale Kooperation zu finden. Das eigensinnige "Kirchturmdenken" sollte überwunden werden zu Gunsten einer Mischung aus "Kooperation und Eigensinn" - so das Motto des Projektes. In diesem Denken sollten gemeinsam abgestimmte Visionen zum Ruhrgebiet des Jahres 2030 erarbeitet werden.

Im Jahr 2003 unterzeichneten die acht Städte einen "Stadtregionalen Kontrakt", der das oben genannte Ziel zum Vertragsgegenstand hatte. Bottrop, Hamm und Hagen traten im Jahre 2007 bei. Die vier randlich gelegenen Kreise Wesel, Recklinghausen, Unna und Ennepe-Ruhr fehlten.

Neben einer Reihe von früheren Projekten und Initiativen (s. Link zum Städteregion 2030), sind der "Masterplan Ruhr" (s. u.) und seit 2007 der Vorentwurf eines "Regionalen Flächennutzungsplans" (RFNP) wichtige konkrete, regional-integrative Projekte.

Der Masterplan

Der erste Entwurf des "Masterplan Ruhr" wurde gemeinsam von den genannten acht Städten im Jahr 2006 veröffentlicht. Darin werden Fragen der zukünftigen räumlichen Entwicklung, ihrer Potenziale und Optionen diskutiert und gemeinsame Entwicklungsstrategien vereinbart.
Titelseite des Masterplans Ruhr
Quelle: Städteregion Ruhr/Stadt Dortmund
Der Entwurf beinhaltet eine erste Bilanz zu den Themen
  • ?Wohnen in der Städteregion Ruhr?
  • ?Städtebauliche Projekte von besonderer Bedeutung? und
  • ?Regionen am Wasser?
Die beteiligten Städte stellen im Masterplan ihre gegenwärtig wichtigsten städtebaulichen Projekte in ihrer außergewöhnlichen Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Region vor:
Projekte mit besonderer Bedeutung für die Zukunft des Ruhrgebietes (Stand 2006)
Quelle: Autorenteam, nach Städteregion Ruhr 2006, S. 37
Visionen
Quelle: Städteregion Ruhr (2006), S. 42, 43, 44 und 47
Einige der im Kontext dieses interkommunalen Projektes Masterplan Ruhr vorgestellten aktuellen Projekte von besonderer Bedeutung sind auf IBA-Konzepte zurückzuführen (z. B. Akademie Mont Cenis in Herne oder Innenstadt West in Bochum).

Mit dem Thema Wohnen reagiert der Masterplan auf den Demografischen Wandel, um Abwanderung und Bevölkerungsverluste zu verhindern. Neben Daten zum Wohnungsmarkt, Trends und Perspektive geht es um die Qualitäten des Wohnens und die Wohnbau-Flächenentwicklung. Das dritte Thema ?Regionen am Wasser? basiert auf der Beobachtung, dass in den von der Montanindustrie geprägten Wasserlandschaften besondere Chancen für den Strukturwandel bestehen, da sie als Erlebnis- und Freizeiträume wachsendes Interesse erfahren.

Er fasst weiterhin wichtige Positionen der teilnehmenden Städte für die zukünftige räumliche Entwicklung zusammen. Ausdrücklich wird betont, dass der Masterplan als Prozess zu begreifen ist (Städteregion Ruhr 2006, S. 5). Neben der inhaltlichen Ausarbeitung steht die Etablierung einer neuen Kooperationskultur im Vordergrund. Das ist als klarer und wertvoller Erfolg des ursprünglichen Projektvorhabens zu werten. Konkret geht es darum, den Masterplan-Prozess eigenständig umzusetzen und nicht aus der Hand zu geben. Zugehörige städtebauliche Wettbewerbe sollen verstärkt aus der Region heraus evaluiert werden. Dazu haben sich interkommunale Fachgespräche bewährt. Neben der ?Orientierung am Dialog? und dem interkommunalen Austausch genießt bei der Erstellung des Masterplans die Einbeziehung aller relevanter gesellschaftlicher Gruppen Vorrang: ?Politik, Verbände, Bürgerschaft, Bürgerinitiativen, Unternehmen und Wirtschaftspartner, Immobilienbesitzer und Grundstückseigner, Gebietskörperschaften aller Art, Wissenschaft und Forschung u.v.a.m.? (Städteregion Ruhr 2006, S. 8).

Der Regionale Flächennutzungsplan RFNP

Auch im Zusammenhang des RFNP hinterlassen die regionstypischen Befindlichkeiten ihre Spuren: Anstelle der acht städtischen Akteure finden sich nur noch sechs zusammen, Dortmund und Duisburg scheren aus. Dortmund sieht sich eher als ?Westfalenmetropole?, Duisburg sucht die Rheinschiene als imageträchtigere Adresse. Eine Untersuchung belegt, dass in diesen Städten ein gewisser Unwille zur Teilnahme an der Erarbeitung des RFNP besteht, da sie sich von dem ?nicht nur positiven Image? des Ruhrgebiets loslösen wollen. Unter den kleineren Umlandstädten, die sich ebenfalls zu einer Mitarbeit nicht bereit fanden, besteht ein doppelter Vorbehalt: Einerseits wird teilweise eine Konkurrenzsituation zu den Kernstädten wahrgenommen, andererseits werden Einwände gegen das aufwändige Verfahren der RFNP ? Erstellung erhoben.

Beispielgebend für die regionale Kooperation in der Städteregion Ruhr ist das Projekt ?Regionaler Flächennutzungsplan? (RFNP) der Städte Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen. Die sechs Städte haben Ende 2005 eine Planungsgemeinschaft gegründet und damit ihren Willen bekundet, regionale Verantwortung zu übernehmen und sich gemeinsam auf räumliche Entwicklungsziele zu verständigen. Der RFNP ist ein innovatives Planungsinstrument, mit dem Regional- und Flächennutzungsplan durch ein einziges Planwerk ersetzt werden (Uhlenbrock 2005). Neben der Planungsgemeinschaft ?Städteregion Ruhr? ist der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt / Rhein-Main bislang die einzige Region, in der ein RFNP entwickelt wird (Internet 1).



Nur randlich sei erwähnt, dass nach dem Vorbild der ?Städteregion 2030? im Februar 2008 eine neuer ?Städtebund Ruhr? entsteht, der in gewisser Konfrontation bzw. Ergänzung zum RVR erklärt, weniger auf bürokratische Gremienarbeit als auf effektivere Formen, auf eine ?neue Kultur? der Zusammenarbeit setzt (WDR 2008). Allerdings treten diesem Städtebund nicht alle Städte bei, so z.B. Essen. Der Vorstoß dürfte scheitern. Hier zeigt sich erneut, dass der Weg zu einer interkommunalen Kooperation noch weit ist: Nach wie vor liegt in den widerstreitenden Interessen der Akteure eines der wesentlichsten Hindernisse für die Umsetzung der Metropole Ruhr?.

Das Konzept Ruhr
Logo der "Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH"
Quelle: Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH
Anfang Januar 2008 legt die Metropole Ruhr ihr Konzept zur nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung vor. Nicht nur Nachhaltigkeit, sondern auch die Einheit von gesellschaftlicher Stadt- und ökonomischer Standortentwicklung bilden Schwerpunkte des Leitbildes. Das Konzept Ruhr ist zunächst auf 10 Jahre angelegt, um den in diesem Zeitraum anstehenden (endgültigen?) Abschied von der Kohle zu begleiten.
Konzept Ruhr
Quelle: WMR / Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH 2007, Titelseite
Steckbrief Konzept Ruhr
Quelle: Autorenteam
Unter dem Dach der ?Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH? haben die Städte und Kreise (erweiterte ?Städteregion 2030?) der ?Metropole Ruhr? eine gemeinsame Strategie für die Stadt- und Regionalentwicklung der nächsten 10 Jahre erarbeitet und im Dezember 2007 vorgelegt. Mitte 2008 haben 41 Gemeinden und zwei Kreise dem Gesamtprojekt angeschlossen.

Das Konzept Ruhr definiert ca. 400 Projekte bei einem geschätzten Investitionsvolumen von etwa 6 Md. Euro. Davon sollen 1,61 Md. Euro auf die öffentliche Hand und 4.43 Md. Euro auf private Folgeinvestitionen entfallen. Damit bietet Konzept Ruhr erstmalig eine konsensual erarbeitete Übersicht zu solchen Projekten, die in den nächsten Jahren u. a. aus dem Teilprogramm ?Nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung? der Europäischen Union (?Ziel 2-Programm? für die Periode 2007 bis 2013) gefördert werden sollen.

Dieser Initiative liegt die Überzeugung zu Grunde,
(a) dass man nicht bei der nahezu als gelöst eingeschätzten Bewältigung der Folgeprobleme des montanindustriellen Strukturwandels stehen bleiben darf;

(b) Zudem betont die Strategie die Parallelität und wechselseitige Beziehung von städtebaulicher Qualität (Imagefaktor) und wirtschaftlichen Projekten;

(c ) Man geht davon aus, dass Metropolen und ihre Regionen als Katalysatoren der wirtschaftlichen, technologischen und kulturellen Entwicklung fungieren und somit die Wettbewerbsfähigkeit in der ?Konkurrenz der Regionen? stärken;

(d) Vorausgesetzt wird, dass sich sowohl mittelständische Unternehmen als auch große Konzerne der Region für die Entwicklung der Metropole Ruhr deutlich engagieren.
Fünf inhaltliche Leitlinien (?Metrobasics?) des Konzept Ruhr
Quelle: Autorenteam
Das Programm setzt sich fünf Schwerpunkte, ?metrobasics? genannt, die als Kristallisationskerne und bündelnde Leitbilder der etwa 400 Einzelprojekte dienen: Den Projekten soll in der Regel ein empirisch fundiertes städtisches Gesamtkonzept der Entwicklungspotenziale und langfristigen Entwicklung zu Grunde liegen. Zudem sollen die Projekte, wo immer möglich, der Verknüpfung von Teilräumen und Vernetzung der Projekte über Gemeindegrenzen hinweg dienen. Zur Umsetzung ist das Programm auf die Kooperation vieler Partner angewiesen, so. z.B. Stadt, Landesregierung, Großunternehmen und Mittelstand (?Private-Public-Partnership?).

Projektentwurf ?Living Bridge? / Duisburg Innenhafen
Projektentwurf ?Living Bridge? / Duisburg Innenhafen
Quelle: Städteregion Ruhr/Stadt Duisburg
Das Konzept Ruhr ist von der Einsicht geleitet, dass die Interessen der städtebaulichen und wirtschaftlichen Perspektive integriert werden müssen. Deshalb setzt das Programm ausdrücklich auf Beratung der Schnittstelle zwischen nachhaltiger Stadt- / Regionalentwicklung und die wirtschaftlichen Erfordernisse, die u.a. in den Clusterwettbewerben im Rahmen des Ziel 2 ? Programms der EU vorgesehen sind.

Die ?Metrobasics? sind inhaltlich konkretisiert als:

1. ?Metrolines?: Die vier Achsen der Region sollen entwickelt werden entlang der:
a. Ruhr,
b. A 40 / Hellweg,
c. Emscher und
d. Lippe.
- 90 Projekte sind vorgesehen
- Beispielprojekte: Umbau der Emscher durch die Emschergenossenschaft, A 42 als Parkautobahn

2. ?Metrocities?: Die Zentren und Stadtteile sollen gestärkt werden.
- 120 Projekte sind vorgesehen
- Beispielprojekt: ?Ruhrbania Mülheim?; ?Masterplan Innenstadt Duisburg?; ?Hamm ans Wasser?; Kruppgürtel / Essen: Die drei räumlich benachbarten Projekte ?Krupp-Park?, ?Universitätsviertel? und ?Westring? grenzen unmittelbar an die Essener Innenstadt
3. ?Metroexcellence?: Die Wirtschaft soll durch ?Exzellenz - Projekte in ihrer Wettbewerbsfähigkeit unterstützt werden
- 35 Projekte sind vorgesehen
- Beispielprojekte (Auswahl): Wasserstoffpark Bottrop, ?Dortmunder U?, ?Universitätspark? Essen, ?Arena-Park? Gelsenkirchen, ?Hamm ans Wasser?, ?Zukunftsstandort Ewald? / Herten; ?New Park? / Recklinghausen.
Bochum ? Burg über dem Ruhrtal
(Projektserie ?Urbane Wasserlagen?)

Quelle: Internet 3
Neu erbautes ThyssenKrupp Quartier im Krupp-Gürtel
Copyright: ThyssenKrupp AG
4. ?Metroinvest?: Private Investitionsvorhaben werden begleitet bzw. infrastrukturell vorbereitet.
- Bei rund 100 Vorhaben der Privatwirtschaft wird deutlich, dass die privaten Investitionen die der öffentlichen Förderung der Infrastruktur deutlich übersteigen.
- Beispiele: Verlagerung der Thyssen-Krupp Hauptsitzes nach Essen / Kruppgürtel, Karstadt-Forum am Limbecker Platz in Essen.
Quelle: Foto von Hr. Michael Schwarze-Rodrian
5. ?Metroevents?: Regionale Großereignisse sollen das Image der Metropole Ruhr fördern.
- 40 Projekte sind vorgesehen im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010;
- Beispielprojekte: Kulturhauptstadt 2010; zukünftig: Bewerbung um die Expo 2020, Bundesgartenschauen (?)
Neben diesen Hauptprogrammen für die Zukunftsentwicklung der Metropole Ruhr existieren weitere institutionalisierte Initiativen, die der regionalen Integration dienen so etwa (Auswahl):
- Einzelhandelsgemeinschaft Östliches Ruhrgebiet
- Kulturhauptstadt: (siehe Link)
- Eine Reihe von regionalen sektoralen Masterplänen mit Bedeutung für die Metropole Ruhr

Zukunft Ruhr 2030 (Initiativkreis Ruhr /IR: November 2007)

Das Konzept des Initiativkreises Ruhr ?Zukunft Ruhr 2030? steht in vielerlei Hinsicht dem ?Konzept Ruhr? konträr gegenüber. Hier sind es die großen Unternehmen der Region, die aus der Perspektive der Wirtschaft eine Vision der Metropole Ruhr des Jahres 2030 entwickelt haben. In Zusammenarbeit mit der Wissenschaft ? unterstützt von sechs führenden Unternehmensberatungen ? geht es um eine strategische Neuausrichtung der Metropole Ruhr.
Das Logo des IR
Quelle: Internet 4
Tatsächlich dürfte es neu- und einzigartig sein, dass die Wirtschaft sich hier ausschließlich selbst in die Pflicht nimmt: Eine solche konkrete öffentliche Selbstverpflichtung von Unternehmen zur Entwicklung einer Region - so der Ministerpräsident der Landes Nordrhein-Westfalen Rüttgers bei der Eröffnung des Zukunftskongresses im Oktober 2007 ? habe es noch nie gegeben (IR 2007, S. 39).
Ziel ist nichts Geringeres als zurück in die Weltspitze zu gelangen: ?Die Region soll zur Weltmetropole Ruhr werden, wir erfinden uns neu?, formuliert es Werner Müller, seinerzeit Moderator des ?Initiativkreises Ruhr?, der damals noch ?Initiativkreis Ruhrgebiet? hieß. Das soll zudem im Alleingang der 69 Mitglieder des IR (2008) geschehen: ?Strictly private - Politik wird zunächst nur informiert? heißt es in einer Präsentation vom 29. November 2007. Immerhin weisen die damals noch 65 Unternehmen des IR 1,6 Mio. Beschäftigte mit einem Jahresumsatz von 500 Mrd. Euro auf.

Gemeinsam ist beiden Strategien nur, dass es ihnen um die Metropole Ruhr geht und an Stelle eines ?großen Wurfs? eine prozessuale, also lernende und anpassungsfähige Verfahrensweise in kleinen Schritten, in Projekten, bevorzugt wird.
Titelseite des Vortrags ContractFuture ? Metropole Ruhr 2030 vom 29. Nov.2007
Quelle: Bucksteeg 2007
Vier Hauptgründe führten in den 1990er Jahren dazu, dass sich das Interesse der Unternehmen an einem Engagement in der Standortentwicklung massiv entfaltete (vgl. im Folgenden Osterhoff 2007, S. 179):
  • Im Zuge der Globalisierung/ Internationalisierung der wirtschaftlichen Verflechtungen nahm der Wettbewerbsdruck erheblich zu;
  • Der Bedarf an Zuliefer-, Absatz- und Netzwerkbeziehungen wuchs im Zuge der Reduzierung der Fertigungstiefen;
  • Durch die Kompetenzverlagerung der Rahmen-Gesetzgebung auf die EU-Ebene nahm der wirtschaftspolitische Gestaltungsspielraum der Nationalstaaten ab;
  • Mit dem Clusteransatz setzte sich die Einsicht durch, dass die Rahmenbedingungen des Standortes, besonders seine Ressourcen an Wissen, hochwertigen unternehmensbezogenen Dienstleistungen, Innovationsfähigkeit, qualifiziertem Personal und kommunikativer Vernetzung, einen wichtigen Wettbewerbsvorteil darstellen.
Ausgangspunkt der IR-Strategie ist die Überzeugung, dass
?Metropolen und Metropolregionen (…) die maßgebliche Motoren der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung (sind, d.V.). Ihre Bedeutung als hoch verdichtete Knotenpunkte und Schaltstellen für vernetzte Güter-, Kapital-, Informations- und Personenströme wird im Zuge der Globalisierung weiter zunehmen? (IR 2007a, S. 3).

Das Konzept sieht vier zentrale Handlungsfelder vor:
1. Wirtschaft und Innovation
2. Infrastruktur
3. Lebensqualität: Gesundheit, Bildung und Kultur
4. Regionalmarketing.

Im Zentrum der Überlegungen steht das Handlungsfeld Wirtschaft und Innovation, da von einer tragfähigen Wirtschaftsstruktur die weitere Entwicklung der Metropole Ruhr anhängt.

Nach dem Prinzip ?Stärken stärken? steht die Identifikation spezifischer endogener Entwicklungspotenziale, d. h. (regionaler) Spezialfunktionen im Vordergrund sowie die zugehörigen Wege und Maßnahmen, diese auszuschöpfen (IR 2007a, S. 3). Maßgabe ist somit einerseits, die ruhgebietsspezifischen (teils historischen) Stärken zu nutzen, sich aber andererseits in der strategischen Ausrichtung auf nur wenige Branchen zu konzentrieren.

Die Auswahl geeigneter Branchen wird an Hand folgender Kriterien vorgenommen:
  • Die ausgewählten Branchen knüpfen an vorhandene wirtschaftliche Stärken an;
  • Sie lassen ein langfristiges Wachstum erwarten;
  • Die Branchen sind untereinander kombinierbar, weil so neue technologische Lösungen generiert werden können (IR 2007, 104).
Im Ergebnis stellt man sich eine Transformation alter zu neuen Stärken vor. Dabei soll der Transformationsprozess von Kohle zu Energie, von Stahl zu neuen Werkstoffen und von Transport zu Logistik führen (siehe Abb.). Daraus wird ein so genannter ?Meta-Cluster? aus Energie, Werkstoffen und Logistik abgeleitet.
Transformation alter und neuer Stärken
Quelle: Lampe 2008
Eine Stärken-Schwächen-Analyse der gegenwärtigen Branchenstruktur der Metropole Ruhr identifiziert deren Beschäftigungswachstum und regionalen Spezialisierungsgrad (vgl. IR 2007, S.103). Überdies wird deren Position im gesamtdeutschen Kontext typisiert nach (s. Abb.):
  • deutschen Leitbranchen (z.B. Maschinenbau, Herstellung v. Metallerzeugnissen; Automobilbau, Elektrotechnik usw.);
  • deutschen Wachstumsbranchen (z.B. Unternehmensorientierte Dienstleistunegen, Logistik, IT / Software);
  • Zukunftsbranchen (Medizintechnik / Gesundheitswirtschaft, Verkehrssysteme, Qualifizierung und Energieversorgung)
  • lokal bedeutsame Branchen (z.B. Metallerzeugung, Kohlebergbau).
Branchenportfolio der Metropole Ruhr
Quelle: PROGNOS 2007 in IR 2007a, S. 4
Entscheidend ist nun die Überführung alter wirtschaftsstruktureller Stärken in neue Wachstumsfelder. Dazu bedarf es, so die Argumentation, der Innovationskraft einer Metropolregion. Denn der Meta-Cluster erfordert zu seiner Funktions- und Entwicklungsfähigkeit ein hohes Maß an Innovationskapazität.

Der Innovation kommt daher im Strategiepapier ?Zukunft Ruhr 2030? eine Rolle als zweites Standbein zu. These ist, dass die Innovationskraft einer Region sich zusammensetzt aus den Faktoren ?Standortattraktivität?, ?Bildungsleistung?, ?Wirtschaftsleistung? und ?Inventionsleistung?, wobei letztere die Erfindung von neuen Produkten, Verfahren und deren Entwicklung bis z.B. der Patent- und/oder Marktreife bedeutet (s. Abb.).

Als Stärken werden für die Metropole Ruhr ausgemacht
  • ?die Position als eine der größten Metropolregionen Europas,
  • die zentrale Lage in Europa mit einer überwiegend guter Verkehrserschließung,
  • Die Spitzenposition in Energie, Stahl- und Metallverarbeitung/ Werkstoffe sowie Logistik,
  • eine relativ zu andern Metropolen funktionierende Verkehrsinfrastruktur,
  • die ausgeprägte Hochschul- und Forschungslandschaft,
  • die hohe Migrationskraft für Migranten? (IR 2007, S.105).
Dem stehen erhebliche Schwächen gegenüber:
  • ?eine überdurchschnittlich Alterung der Bevölkerung,
  • eine kleinteilige Verwaltungsstruktur und ?verantwortung,
  • eine unzureichende Nutzung des Arbeitskräftepotenzials
  • rückläufige Absolventenzahlen in innovationsrelevanten Studiengängen,
  • mangelhafte innovationsrelevante Kompetenzen in den Unternehmen,
  • unterdurchschnittliche staatliche und private F&E-Investitinen,
  • unterdurchschnittliche Gründungsquote,
und daraus folgend
  • eine unterdurchschnittliche Performance der Beschäftigungsentwicklung in wichtigen Kompetenzfeldern,
  • ein als niedrig prognostiziertes Wachstum bis 2030? (IR 2007, S.105).
Innovationskraft des Ruhrgebietes 2007
Quelle: IR 2007, S. 106
Die Strategie des ?Zukunft Ruhr 2030? - Projekts stellt sich zusammenfassend als bemerkenswert geschlossenes und argumentativ dichtes Entwicklungskonzept dar. Dieses umso mehr, als man sich offenkundig nicht auf die übliche symbolische Politik und Kurzatmigkeit solcher Konzepte verlassen möchte. Vielmehr wurde auf der Grundlage einer aufwändigen Operationalisierung das Instrument eines jährlichen Monitorings, einer Beobachtung der Fort- oder Rückschritte in strategierelevanten Bereichen etabliert und erstmalig im November 2008 veröffentlicht.

In der Stärke einer rein (regional-) ökonomischen Perspektive liegt aber zugleich auch eine Schwäche: Probleme der Nachhaltigkeit, der ökologischen Qualität und sozialstrukturellen Stabilität werden allenfalls angedeutet und dabei nicht immer überzeugend gewertet. Das trifft beispielsweise für die deutliche Schieflage in der Einschätzung der regional ?hohen Integrationskraft für Migranten? und die völlige Ausblendung der räumlichen Segregationsprozesse sowie der armutslastigen Polarisierung zu, die nicht zuletzt eine Wirkung der stadt- und regionalwirtschaftlichen Modernisierungsdynamik ist.

Hier bewegt sich die Zukunftsstrategie des IR auf dünnem Eis. Unterstellt man den Erfolg der Strategie, so bleibt die Frage nach der - im Diskurs um die Metropolen wichtigen - Qualität der ?Verantwortungsgemeinschaft? in der räumlichen, sozialen wie zeitlichen Dimension unbeantwortet.
Konzept ?Zukunft Ruhr 2030?
Quelle: IR 2007, S.105
Der demografische Wandel ist mit seinen komplexen und massiven Wirkungen in Bereichen wie Kaufkraft, kommunale Haushaltsdefizite, infrastruktureller Modernisierungsstau und strukturelle Arbeitsmarktmängel völlig ausgeblendet. Vieles spricht für eine eher anhaltende Erosion im Bereich jener Voraussetzungen, die der erstrebten Dynamik erst zum Erfolg verhelfen. Das ?Fundament? des Gesamtkonzepts ?Zukunft Ruhr 2030? steht damit auf eher tönernen Füßen.