Die andere 'Andere Metropole Ruhr'

Metropolfunktionen in der Metropolregion Rhein-Ruhr
Quelle: Blotevogel 2006
Es wurde bereits dargestellt, dass Schulze (2007) und Blotevogel, Schulze (2007) detaillierte Indikatoren für die Messung der "Metropolität" deutscher Großstädte entwickelt und untersucht haben (s. Kap. 3.2) (vgl. auch Danielzyk, Knapp, Schulze 2008, S. 551ff):
  • Entscheidungs- und Kontrollfunktion: 13 Indikatoren,
  • Innovations- und Wettbewerbsfunktion: 17 Indikatoren.
  • Gateway-Funktion: 20 Indikatoren.
Diese wurden zu einem kombinierten Index der "Metropolität" zusammengefasst worden. Im Ergebnis steht Berlin an erster Stelle, gefolgt von München, Hamburg, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Köln, Hannover und Stuttgart. Städte aus dem Ruhrgebiet werden unter den ersten 8 Positionen nicht ausgewiesen.

Ganz anders aber stellt sich das Bild dar, wenn die gleiche Berechnung für die Metropolregionen durchgeführt wird, wobei die zusammengefasste Metropolregion Rhein-Ruhr in ihren jeweiligen politisch-administrativen Grenzen berücksichtigt wurde (s. Tab.).
Rangfolge der Metroporegionen bei Einheit der Metropolregion Rhein Ruhr
Quelle: Blotevogel 2007, S. 22
Als Konstrukt der Raumeinheit "Metropolregion Rhein-Ruhr" steht diese unangefochten an erster Stelle, gefolgt von München, Berlin, Frankfurt / Rhein-Main, Stuttgart , Hamburg, Hannover-Braunschweig-Göttingen usw. Zum gleichen Ergebnis kommen auch Danielzyk, Knapp, Schulze (2008, S.554).
Die Funktionen der Metropolregion Rhein-Ruhr im Vergleich
Quelle: BMVBS 2007, S. 4 (mit freundlicher Genehmigung des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung)
Die Metropolregion Rhein-Ruhr umfasst 20 kreisfreie Städte mit je mehr als 100.000 Einwohnern und 11 Kreise. Zusammen wohnen hier 11,5 Mio. Menschen. Sie besteht aus zwei Teilen, dem einst industriell geprägten Ruhrgebiet und dem Rheinland. Beide Teilregionen unterscheiden sich sehr deutlich in ihren historischen Wurzeln, im wirtschaftsgeschichtlichen und bevölkerungsgeographischen Werdegang, in landsmannschaftlicher und soziokultureller Zugehörigkeit, vor allem aber hinsichtlich ihrer Situation im regionalen Strukturwandel.


Gegenwärtig sind aber beide Teilregionen nicht bereit, sich auf den Weg zu einer gemeinsamen Metropolregion zu begeben. Hier lebt nicht nur die alte Sensibilität zwischen dem Rheinland und Westfalen weiter. Auch die Konkurrenz zwischen den großen Städten spiegelt sich wieder, wenn Köln explizit dieses Regionskonstrukt ablehnt, Düsseldorf keine klare Haltung einnimmt. Duisburg möchte am liebsten dem Ruhrgebiet den Rücken kehren, wird aber vom Rheinland durchaus nicht mit offenen Armen aufgenommen.

Die aus dem Inneren des Ruhrgebiets bekannte kommunale oder einzelstädtische Profilierungssehnsucht ? neu belebt im Zeichen schrumpfender Bevölkerung und teils auf Wirtschaft ? findet sich auf der mesoräumlichen, der regionalen Maßstabsebene wieder.

Es hat den Anschein, als müssten erst die identifikatorischen Probleme mit der jeweiligen, historisch in langen Zeiträumen gewachsenen symbolischen Ortsbezogenheit gelöst werden. Sodann müsste die Einsicht in die tatsächlichen Konkurrenzverhältnisse innerhalb Europas und der Welt wachsen, aus der die Bereitschaft für eine strategische Allianz einer "Metropole Rhein-Ruhr" entstehen könnte. Wie lange brauchen die Akteure für die Erkenntnis, dass die Zeiten des Kirchturmdenkens vorbei sind? Und dass ausgezeichnete Chancen vergeben werden, die Wettbewerbsfähigkeit im Kranz europäischer Regionen entscheidend zu stärken? Dass kommunale und stadtregionale Eigeninteressen nicht im Widerspruch mit Kooperation stehen, sondern durch eine Strategie der "Einheit in Vielfalt" alle Seiten gewinnen können?

Wiederholt sich das Phänomen, das dem Ruhrgebiet als Folge des alten Denkens die Probleme der "verspäteten Region" eingebracht haben, nun auf der erweiteten regionalen Ebene "Rhein-Ruhr"? Eines der starken Motive der Metropole Ruhr, sich nicht zu früh auf die gesamtregionale Kooperation Rhein-Ruhr einzulassen, besteht in der Überzeugung mancher Akteure, dass sich das Ruhrgebiet zunächst selbst organisieren und den Strukturwandel bewältigen müsse, um gleichsam auf "Augenhöhe" mit dem Partner "Rhein" eine Partnerschaft eingehen zu können.

Danielzyk, Knapp, Schulze plädieren für eine andere Lösung: Angesichts der beiden Initiativen Köln/Bonn/Leverkusen und der Metropole Ruhr zu ernst zu nehmenden Konzepten der Regionsbildung, schlagen sie eine "TripelMEtropolis" vor, in der zu den genannten beiden bestehenden Initiativen noch die Region Düsseldorf hinzutritt, die in dieser Hinsicht bislang eher unentschlossen agiert. Sie kommen zu dem Fazit:

"Es spräche also viel dafür, den Metropolraum Rhein-Ruhr insgesamt als Metropolregion zu entwickeln. Ein Weg könnte dabei sein, aufbauend auf der sich derzeit unterschiedlich entwickelnden Kooperationslandschaft in den Teilräumen Ruhrgebiet, Düsseldorf und Köln/Bonn eine eng miteinander kooperierende "TripelMetropolis Rhein-Ruhr" zu entwickeln" (Danielzyk, Knapp, Schulze 2008, S. 561).

Zwischen den Erfordernissen einer Metropolenkonstruktion, die sich "nach außen", auf interregionale globale/europäische oder deutsche Wettbewerbsfähigkeit orientiert und einer, die sich "nach innen", auf territoriale Ziele der interkommunalen Kooperation, Selbstorganisation und Selbstfindung, auf Identifikation und Zusammenhalt richtet, operiert das Ruhrgebiet in einer Art "Spagat" der Regionsbildung. Die vorgelegten Entwürfe und Konzepte zur zukünftigen Ausgestaltung der Metropole Ruhr spiegeln dieses Spannungsfeld wider, ohne allerdings eine gemeinsame Basis zu besitzen bzw. auch nur zu suchen.