Megatrend: Ökonomisch-technologischer Wandel

Der ökonomisch-technologische Wandel hängt eng mit dem (bislang recht regelhaften) Wechsel der basistechnologischen Wachstumschübe und dem zugehörigen Erschließungs-, aber auch Verschleißprozess der innewohnenden Innovationspotenziale zusammen.

Aus wirtschaftshistorischer Sicht lassen sich fünf basistechnologische Wachstumsschübe identifizieren. Wegen ihres 40- bis 60-jährigen Regelmaßes wurden sie von manchen Forschern - nicht unwidersprochen - als sog. "Lange Wellen der Wirtschaftsentwicklung" bzw. "Kondratieff-Wellen" - nach ihrem Entdecker, N. D. Kondratieff (1892 - 1930) genannt (Nefiodow 1997). Während die Diskussionen um dieses Phänomen sich mehr um zeitliche Dauer und die vorgelegten Messmethoden bzw. -ergebnisse rankten, besteht wenig Zweifel daran, dass dieser Ansatz Erneuerungsschübe markiert. Jeweils spezielle Basisinnovationen bringen eine neue Leittechnologie hervorbringen, die alle anderen Bereiche der Volkswirtschaft durchdringen. Sie entfalten je spezifische Verkehrs- und Kommunikations-Infrastrukturen, Raum-Zeit-Systeme, gesellschaftlichen Regelwerke und Stadtgesichter. Sie formen die gesamte Gesellschaft um. Dabei wurde beobachtet, dass die Standorte der neuen technisch-ökonomischen Cluster jeweils neue, industriell noch ungenutzte Regionen suchen und entwickeln. Der Wechsel der Basistechnologien hat in aller Regel auch eine Verlagerung der wirtschaftlichen Leitregionen zur Folge. Die neuen Technologien konzentrieren sich an je neuen Standorten. Das Ruhrgebiet zeichnete sich dabei bis in die 1960er Jahre durch eine erstaunlich lang anhaltende Wachstumsdynamik aus: Mit Ausnahme der gegenwärtigen (IT-)Welle behält der Montankomplex eine - wenn auch stark schwankende - Dynamik durch alle folgenden basistechnologischen Innovations-Schübe hindurch.

Hinzu kommt der doppelte Innovationsdruck, der im Zeichen der "wissensbasierten Ökonomie" aus der neuen Konkurrenz der Regionen und der Verkürzung der Produktzyklen resultiert. Die Güter werden immer kurzlebiger, denn mit abnehmender Halbwertszeit, aber globaler Verfügbarkeit des Wissens können neue Produkte und Verfahren immer rascher andernorts kopiert, verbilligt oder verbessert werden. Für die Erschließung der Massenmärkte stehen nicht mehr die früher üblichen Zeitspannen zur Verfügung.
Fordismus - Postfordismus: Regionale Standortprofile
Quelle: Butzin 1993, S.10
Die Produktion wird im Zuge der Life-Style- und Design-Orientierung auch in ihrer Seriengröße kleiner, vielfältiger und innovationsintensiver. Die Standortgunst verschiebt sich von Massenarbeitsmärkten, Rohstoff- und Transportorientierung hin zu Wissensmärkten, zu qualifizierten (Forschungs- und Entwicklungs-/FuE-)Arbeitskräften, Forschungsstätten, Förderungs- und Beratungsdiensten. Die Beschleunigung der Innovationstakte im Produkt-, Prozess-, Markt- und Organisationsbereich verlangt auch nach neuen, flexibleren und entbürokratisierten Führungsformen, nach Abbau und Verschlankung der "Führungshierarchien" bzw. Aufbau von neuen Kommunikationsformen.

Es geht angesichts beschleunigter Innovationstakte um die Gleichzeitigkeit und Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz: Besonders Klein- und Mittelbetriebe können dem hohen Innovationstakt und der Beobachtung, Anpassung oder Erschließung sich rasch ändernder Märkte besser im Netzwerk begegnen, so z.B. durch die gemeinsame Entwicklung von Innovationen, Wartungsdiensten und Vertriebsstellen. Strategischen Allianzen zwischen Großunternehmen sind ebenfalls auf die Minderung von Risiken und auf Erhöhung der Innovationskapazität ausgerichtet.

Diese Beobachtung ist für das Gestaltungspotenzial des Ruhrgebiets von doppelter Bedeutung:
(a) Technologisch junge Wirtschaftsräume entfalten sich systematisch nicht in altindustrialisierten Regionen, sie werden dort eher als "Inward-Investment" nicht selten in der Form von Zweigwerken angesiedelt ("Neo-Industrialisierung aus zweiter Hand");
(b) Die "Second Hand"-Industrialisierung hat einen weiteren Effekt verstärkt: Die Balance zwischen einer sozialpolitisch gerechtfertigten Abfederung des montanindustriellen Ab- und Umbaus und den förderungspolitischen Investitionsanreizen in neue Technologien hat die Herausforderungen des sozialverträglichen und technologiepolitischen Übergangs nur unvollkommen bewältigt. Das Ruhrgebiet ist in seiner technologiestruktur zu einer "verspäteten Region" geworden. Soweit diese These stimmt, erscheint es besonders wichtig, die andernorts bereits früher entstandenen regionalwirtschaftlichen Cluster, konkurrierenden Regionen und deren Erfahrungen in die strategischen Überlegungen einzubeziehen. Hier besteht noch Nachholbedarf, denn in der Euphorie der "Kompetenzfeldwirtschaft" (vgl. Thema "Kompetenzfeldwirtschaft") seit Ende der 1990er Jahre, wie sie im Ruhrgebiet als Strategie Verbreitung gefunden hat, sind einige wichtige, erfolgsfördernde Funktionselemente der Clusterökonomie unzureichend berücksichtigt (vgl. Dufour 2009).

Zur Zeit, da der technologisch-ökonomischen Wandel in seiner ersten Phase, dem (verspäteten) Ab- und Umbau der Montanindustrie, annähernd bewältigt ist, erschwert ein ganzes Bündel neuer komplexer Megatrends die zweite Phase, die Strukturerneuerung:
  • Der Globalisierungsprozess und
  • der demografische Wandel (siehe Thema "Demografischer Wandel") bergen je für sich hochkomplexe Herausforderungen.
  • Auch der Klimawandel und seine noch kaum bekannten Wirkungen auf Großstädte wird die Funktionalität und Attraktivität der Metropole Ruhr beeinflussen, verfehlt bislang jedoch noch weitgehend eine Impuls gebende Wirkung auf die stadtentwicklungspolitische Wahrnehmung, Planung und Gestaltung.