Wirkungsfeld: Politische und planerische Steuerungsprozesse

Der zurückliegende Wandel der politischen Steuerungskultur, der auf Deregulierung und Dezentralisierung, auf kleinschrittige Projektarbeit und Nachhaltigkeit setzte (s. Thema "Strukturpolitik für das Ruhrgebiet"), mündet mit der Metropolisierung der Raumordnungspolitik in eine neue Runde: Bei enger werdendem finanziellem Handlungsspielraum und massiv zunehmendem Umbau bzw. Gestaltungsbedarf wird es auf die Qualität der regionalen Governance ankommen, auf den "Aktivierenden Staat".

Gewinner und Verlierer

Nicht nur die sozial schwachen Gruppen - und hier besonders die Kinder - sind die Verlierer auf dem Umbau vom Wohlfahrts- zum Wettbewerbsstaat. Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand wird größer. Das gilt für die lokale Ebene (Zahlungsunfähigkeit einiger Kommunen im Ruhrgebiet) über die drastischen Sparhaushalte des Landes bis zur Verschuldungskrise des Bundes, wenn im Haushaltsjahr 2009 zum dritten Mal die Kriterien des EU-Stabilitätspakts von maximal 3 Prozent Neuverschuldung überschritten werden müssen. An eine Erhaltung, erst recht an einen Ausbau der (kommunalen) Infrastrukturen ist nur unter förderungspolitischen Sonderbedingungen zu denken. Die Bildungspolitik dürfte ebenfalls zu den Verlierern gehören. Der Staat kann nur noch in abnehmendem Ausmaß als Auftraggeber (z.B. der Bauwirtschaft) in Zeiten schwacher Konjunktur fungieren. Aufgrund von Standortverlagerungen oder Arbeitsrationalisierungen mindert sich der Umfang der Lohnarbeit. Der dauerhafte Abschied von der Vollbeschäftigung erscheint besiegelt.

In dem schärfer werdenden Verteilungskampf nehmen das Gewicht und die Handlungsspielräume der Gewerkschaften ab. Die Kündigung der Flächen-Tarifverträge wird erprobt, Arbeitslosenleistungen werden nach kürzeren Zeiten (Arbeitslosengeld II, sog. Hartz IV) auf das Niveau der Sozialhilfe abgesenkt werden. Der soziale Wohlfahrtsstaat ist an seine Grenzen gestoßen und muss durch tiefe Einschnitte korrigiert werden.
Zugleich findet ein massiver Umbau von nicht mehr finanzierbaren und teils uneffizient operierenden öffentlichen Unternehmen in privatwirtschaftliche statt: Bahn, Post, Entsorgungswirtschaft, Pflegedienste sind Beispiele.

Die Zahl der Verlierer in diesem Modernisierungsprozess "vom neokeynesianischen (sozialen, d.V.) Wohlfahrtsstaat" zum "nationalen Wettbewerbsstaat" (Bremm 1999, S. 331) steigt überproportional: Im Jahr 1995 verfügte das obere Fünftel der Einkommensempfänger über 38 Prozent des gesamten Nettoeinkommens, das untere Fünftel nur über neun Prozent. Letzterer Anteil hat sich in den 1960er und 1970er Jahren von 4,2 auf 3,4 Prozent verbessert, um danach erneut bis 1995 auf 4,2 Prozent anzuwachsen, d.h. auf den Stand von 1962 zurückzufallen (Geißler 2000, S. 12). Bei einer etwas anderen Einteilung nach Einkommensschichten für den Zeitraum von 1991 bis 2002 ergibt sich folgendes Bild: Im Westen verändert sich der Anteil derjenigen, die aufgrund ihrer Einkommenssituation in "relativem Wohlstand" leben (sie beziehen mehr als 150 Prozent des durchschnittlichen westdeutschen Haushaltsnettoeinkommens) kaum; in Ostdeutschland nimmt er dagegen - gemessen am ostdeutschen Durchschnitt - zu. Mit rund 10 Prozent in den alten und 12 bis 11 Prozent in den neuen Bundesländern scheint auch der Anteil derjenigen, die sich in einer "gehobenen" Einkommenslage befinden, eher konstant zu bleiben. Ein relatives "Schrumpfen" lässt sich jedoch im Bereich mittlerer Einkommen beobachten: in Westdeutschland von 42 Prozent auf 40 Prozent und in Ostdeutschland von fast 57,5 Prozent auf 51 Prozent. Zu wachsen scheint dagegen jener Einkommensbereich - und zwar sowohl in West- wie in Ostdeutschland - für den der Begriff "relative Armut" verwendet werden kann (Berger 2005)

Die Einkommensungleichheit, der Abstand zwischen Armen und Reichen wächst.
WAZ-Artikel vom 19.07.2003
Quelle: Autorenteam, in Anlehnung an WAZ 2003
In den hochindustrialisierten Ländern nimmt die bezahlbare Erwerbsarbeit - nicht nur, aber besonders - in weniger qualifizierten Berufen ab, der Sockel an Arbeitslosigkeit steigt. Bezahlbar bleiben eher die Leistungen des hochqualifizierten Humankapitals z.B. im Management, in Forschung und Entwicklung. Den schwächer Ausgebildeten drohen Billiglohnsektor, Gelegenheitsarbeit, Mehrfach-Jobs ("Multiple Job Holding") oder Arbeitslosigkeit. Eine kaum überbrückbare Spaltung der Arbeitsmärkte ist die Folge. Sie findet ihren Niederschlag in der sozialen Polarisierung, in der räumlichen Segregation, in der Ausbildung von sozialen Problemvierteln in den Städten (siehe Thema "Bevölkerung und Arbeit").

Während die Mehrheit von Haushalten in gesicherten Lebensverhältnissen mit wachsendem Lebensstandard (Einkommen, Arbeitsplatz, Wohnung) abnimmt, wächst die Zahl derjenigen mit geringem Einkommen. Aufgrund fehlender bzw. nicht marktgerechter Berufsqualifikation bestehen nur wenig Chancen, ihre Situation aus eigener Kraft grundlegend verbessern zu können (Jessen/Siebel 1989, S. 155). Im Zuge der Polarisierung schrumpft die Mittelschicht, die Menschen in extremeren sozialen Lagen nahmen und nehmen zu (Geißler 2000, S. 10).