Wirkungsfeld: Steuerungsversagen

Staatsversagen

In der Regel wird der Strukturwandel im Ruhrgebiet als eine mehr oder weniger gut gelungene Erfolgsgeschichte dargestellt. Für die nähere Zukunft wird aber übersehen, dass die Komplexität der Gesellschaft und die "Neue Unübersichtlichkeit" (Habermas 1985) - auch für Politiker und Planer - zu hoch geworden sind und zudem die öffentlichen Hände zu wenig zu geben haben, um regionale Gesellschafts- und Raumentwicklung wirkungsvoll gestalten zu können. Die Rede ist vom "Staatsversagen", genauer vom Versagen der einst bewährten staatlichen Steuerungsinstrumente und ihrem Medium "Macht".
Neue gesellschaftliche Steuerungsformen
Quelle: Autorenteam
Marktversagen

Da sind die Marktkräfte (Medium "Geld") mit ganz anderem Steuerungsvermögen, aber auch mit sehr speziellen Schwächen im Bereich der umwelt- und sozialbezogenen Nachhaltigkeitsziele ausgestattet ("Marktversagen"): Der Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen, die z.T. irreversible Belastung der Umweltgüter Luft, Wasser, Boden und Biodiversität, die prinzipielle Höherbewertung heutiger Nutzen vor zukünftigen, das (notwendig räumliche und soziale Ungleichheit erzeugende und auf Mehrverbrauch angewiesene) Wachstumsparadigma.

Intermediäre Organisationen

Zunehmend entsteht zwischen diesen beiden Steuerungsformen eine vermittelnde dritte, die der "intermediären Organisationen". Ihre Aufgabe ist die Vermittlung beider Formen, z.B. durch Kooperation in "Private Public Partnerships" oder Vernetzung mehrerer Akteure (z.B. durch "Runde Tische" und zivilgesellschaftliche Partizipation). In den Netzwerken dominieren Aushandlungsformen und - im Idealfall - das Medium "Konsensbildung durch Überzeugung" oder durch Kompromiss-Schließung.

Zusammenfassend drängt sich die Vermutung auf, dass diese fundamentale Erschütterung und Neuformierung von Individuum, Gesellschaft, Raum und Zeit eher einem gesamtgesellschaftlichen Umbruch gleicht als der Vorstellung eines überschaubaren und beherrschbaren gesellschaftlichen Wandlungsprozesses.
Neue Planungskultur
Quelle: Autorenteam
Neue (politische) Planungskultur

Welche Chancen und Probleme ergeben sich angesichts dieses Befundes für die regionale Entwicklungspolitik? Die skizzierten, hochkomplexen und turbulenten Rahmenbedingungen können nur durch gemeinsame, konzertierte Anstrengungen vielfältiger Entscheidungsträger und auf neuen Wegen angegangen werden (Mettler-von Meibom 2001, S. 9). Die Flexibilisierung auch der Planungsinstrumente ist unabdingbar. Der Ausweg in die kleinschrittige, schnelllebige Planungswelt der Projekte, wie er vor allem von der IBA Emscher Park und den Regionalkonferenzen beschritten wurde, erscheint konsequent, weist aber systematische Verkürzungen auf: Die wirklich drückenden Hauptprobleme der Arbeit, des Bevölkerungsschwunds und Verkehrs, der neuen Armut und Segregation im Ruhrgebiet konnten (und sollten) auf diesem Weg nicht angegangen werden.

Zudem wird immer deutlicher, dass die Vielzahl der geschaffenen Einzelprojekte dem Anspruch einer Vernetzung, gar eines "Zusammenwachsens" nicht gerecht werden kann. Auch die Hoffnung auf die "Propaganda der guten Tat", der gemäß die Einzelprojekte Impulse für viele Folgeprojekte und Nachahmer auslösen sollten, scheint sich nur in wenigen Bereichen zu erfüllen, so z.B. in der Projektwelt "Arbeiten im Park" (s. Thema "Stadtentwicklung").

Welche Rolle hierbei das Versäumnis einer Einbeziehung, breiteren Teilhabe und Identifikation der Bevölkerung und bürgerschaftlicher Mitverantwortung spielen mag, ist kaum entscheidbar. Jedoch belegt der widerstands- und reibungslose Umbruch in eine Phase unzusammenhängender und orientierungsarmer Projektvielfalt nach der IBA Emscher Park, dass eine Aufbruchstimmung oder auch nur der Wunsch nach Fortsetzung der IBA-Leitbilder nicht hat erzeugt werden können. Das kann anderseits aber auch nicht verwundern, solange auf der politischen Ebene der Region verwehrt wird, seine Geschicke selbst in die Hand zu nehmen.
Mentalität und Region
Quelle: Autorenteam
Über eine allgemeine Tendenz zur "Politikverdrossenheit" hinaus werden so abnehmende Bereitschaft zur lokalen oder regionalen Mitverantwortung und zum Engagement im Sinne einer dem Lebensraum verpflichteten "Verantwortungsgemeinschaft" gefördert. Auf Dauer dürften den betroffenen orientierten Partizipationsansätzen "von unten" nur mehr enge, auf Bürgerinitiativen begrenzte Chancen übrigbleiben. Die Überlegungen zu einer Reform der "Bürgergesellschaft" finden hier ihren Ausgangspunkt (Andersen et al. 1998).