Wirkungsfeld: Bildungssystem

"Das wertvollste Wissen ist heute zu wissen, was man nicht zu wissen braucht" formuliert N. Bolz das Kernproblem angesichts der Informationsflut und der "Bildung im Zeichen der Postmoderne" (Bolz 1998, S. 342).

Die Forderungen an das Bildungssystem werden neu definiert. Die neue (globale) Konkurrenz zwischen Regionen, die kurze und abnehmende Halbwertszeit des Wissens und steigende Qualifikationsanforderungen werden wesentlich durch die neue Technologiegeneration gefördert. Was für Produkte und Verfahren der Unternehmen gilt, hat auch für das Lernen Bestand: "Just in Time"-Lernen ist gefordert. Kompetenz im Wissensmanagement ist zur Schlüsselqualifikation geworden. Gefragt ist die Fähigkeit zum "lebenslangen Lernen", das aber nicht so sehr als kontinuierlicher Prozess, sondern eher als Ad-hoc-Reaktion eingefordert wird. Auch der Bildungsmarkt unterliegt der Schnelligkeit des Wandels, Zeitdifferenzen zwischen Innovation und Imitation prägen das Profil auch von Hochschulen.
Universität Witten-Herdecke, Universität Duisburg, Ruhr-Universität Bochum
Quelle: RVR Fotoarchiv (Mative links und mitte: Rabas; Motiv rechts: Liedtke), Collage Autorenteam
Learning by networking
Quelle: Autorenteam
Orientierung in und Filterung der Informationsflut sind zur vordringlichen Aufgabe geworden. Dazu ist eine neue Qualität des Lernens erforderlich, das bewusste "Entlernen". "Wer verstehen will, muss Informationen vernichten. Um Interessantes zu erreichen, muss Information gelöscht werden" (Bolz 1998, S. 347).

"Dass es heute mehr lebende Wissenschaftler gibt als tote, ist der prägnanteste Ausdruck für den Big Bang des Wissens, der unsere postmoderne Gesellschaft von allen früheren Gesellschaftsformationen trennt" (Bolz 1998, S. 348). Mit der Informationsflut steigt das Nicht-Verstandene und dieses muss kompensiert werden mit Vertrauen auf das Verstehen Anderer. Andere sind entweder Experten - der Bedarf an "Consulting" war noch nie so hoch wie in der gegenwärtigen "Wissensgesellschaft" - oder Netzwerke. Das "Learning by networking" ist zum Hoffnungsträger vieler "Runder Tische" und Verhandlungssysteme geworden, man verspricht sich Komplexitätsreduktion mit geminderten Risiken der Sichtverkürzung bei erhöhter Akzeptanz der Ergebnisse. Überzeugungskompetenz und Befähigung zur Teamarbeit sind dementsprechend als Schlüsselqualifikationen ausgemacht worden.

Gerade im Ruhrgebiet hatte die Kooperation zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Politik eine ausgeprägte Tradition mit weltweiter Beispielfunktion. Diese Interessenskoalition war entscheidend für den Aufstieg, den Wohlstand und sozialen Frieden besonders in der Phase des sozialverträglichen Rückzugs der Montanindustrie. Dieses Modell hat heute aus drei Gründen ausgedient:
Interessenskoalition
Quelle: Autorenteam
Das Ende der montanindustriellen Interessenskoalition

(a) Die einst dominierende regionale Interessens-Balance hat sich im Zuge der technologischen und räumlichen Flexibilisierung bzw. potenziell globalen Verlagerung der Produktionsstandorte so weit aufgelöst, dass den Arbeitgebern am kostenträchtigen Erhalt der Konsensbasis immer weniger gelegen war und ist.

Weltweit nutzen die transnationalen Konzerne ("Global Players") die jeweils günstigsten politischen Rahmenbedingungen - z.B. Steuerlast, Lohnhöhe, gewerkschaftlichen Organisationsgrad und Umweltschutz-Bestimmungen - durch (Verhandlungs-)Strategien der Standortverlagerung in den internationalen Raum. Die "Triade", d.h. die amerikanisch - europäisch - japanische weltwirtschaftliche Arbeitsteilung, liegt ebenso wie die neuen Macht- und Finanzzentren, die "Global Cities", außerhalb der Einflusssphäre nationaler Politiken.
Steuerungsbedarf - Steuerungskapazität
Quelle: Autorenteam
(b) Der gewerkschaftliche Einflussbereich und Organisationsgrad ist im Übergang vom Massenarbeitsmarkt zur berufs- und qualifikationsbezogenen Ausdifferenzierung in spezialisierte "Wissensmärkte", angesichts der Individualisierung der Lebensstile sowie zunehmender "Mini-" und Billiglohn-Jobs zurückgegangen.
(c) Die Herausforderungen an den politischen Steuerungsbedarf haben einerseits durch die unbewältigten Folgen des gesellschaftlichen Strukturwandels (ökologische Defizite, Geburtenrückgang/Überalterung, Mängel im Bildungssystem, öffentliche Armut) eine neue Qualität bekommen. Andererseits sind die nationalen Steuerungsmöglichkeiten im Zuge der Globalisierung und des Neuen Europas erheblich geschwächt. Neue Regulationsweisen (z.B. Deregulierung, Dezentralisierung/Regionalisierung der Strukturpolitik), ja eine neue politische Kultur sind erforderlich und teils im Experimentalstadium (Regionalmanagement, Entwicklungsagenturen, konsensorientierte Verhandlungssysteme, "Private-Public-Partnerships", d.h. neue Kooperationsformen zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand).