Integrierte Stadtentwicklung - Antworten auf den Demografischen Wandel

Geschichtliche Wurzeln, Handlungsfelder und Zielgruppen

Strategien zum Umgang mit Schrumpfung werden gegenwärtig vielfach diskutiert und erprobt. Die Verankerung von Stadtumbaumaßnahmen durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau 2004 im Baugesetzbuch (§ 171a bis 171d BauGB) weist dem zukünftigen Stadtumbau eine hohe Bedeutung zu. Die Bund-Länder-Programme "Stadtumbau Ost" und "Stadtumbau West" (s. u.) sollen bundesweit den aktuellen demographischen und ökonomischen Strukturveränderungen und deren Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung begegnen. Aber aufgrund veränderter finanzieller Rahmenbedingungen der öffentlichen Verwaltung nimmt die Steuerungsfunktion durch monetäre Förderung ab.

Neue Strategien in der Stadt(teil-)entwicklung, die auch dem demografischen Wandel begegnen, müssen zunehmend auf die Vernetzung von staatlichen, privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren auf Stadt(teil)ebene als neue Form der (local) Governance setzen. Die Verbesserung der Nutzungsqualität eines Raumes kann durch diese neuen Steuerungsfunktionen benachteiligte Quartiere stärken. Während die Netzwerke der staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteure erfolgreich neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln, fehlen häufig noch Erfahrungen mit der Aktivierung der Bürger im und für ihr Quartier im Sinne von "Empowerment".

Die Geschichte der Integrierten Stadtentwicklung beginnt in Nordrhein-Westfalen mit dem Programm "Soziale Stadt NRW", das aus Vorläufern Ende der 1980er Jahre entwickelt wurde. Es erfährt 1998 als Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf - Soziale Stadt" seine Fortsetzung. Ausgangspunkt war bereits weit vor der Wahrnehmung des Demografischen Wandels die Beobachtung, dass sich als Folge des wirtschaftlichen Strukturwandels in bestimmten Vierteln vornehmlich altindustrialisierter Stadtregionen besondere sozialstrukturelle und bauliche Problemstrukturen verdichteten. Von 1993 bis Anfang des Jahres 2007 wurden in Nordrhein-Westfalen 61 Quartieren aus 40 Städten mit entsprechenden Programmgebieten gefördert.. Deutlich fällt die Häufung der Projekte im Ballungsraum Rhein-Ruhr auf.
Überblick über alle Programmstädte in NRW seit 1993
Quelle: Kamp-Murböck et al. 2007, S. 108
Handlungsfelder und Zielgruppen der Sozialen Stadt NRW
Quelle: Kamp-Murböck et al. in ILS 2007, S. 109
Mit den Erfahrungen des Landes NRW und sich ausweitender Problemlagen wurde das Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf - Soziale Stadt" im Jahr 1998 als Reaktion auf diesen weit verbreiteten, wirtschaftlich bedingten, sozialstrukturellen Hintergrund ins Leben gerufen. Hauptziel war die soziale Stabilisierung und Integration der Menschen mit Migrationshintergrund in derartig benachteiligten Stadtquartieren. Dem multiplen Ursachenkomplex entsprechend wurden Mehrzielprojekte initiiert, die mehrere verschiede Handlungsfelder einschließen. Sie waren und sind - das ist neu - auf lokale Zielgruppen gerichtet, die zugleich auch als Akteure mobilisiert werden sollten: Das betrifft sowohl die Zivilgesellschaft (u. a. benachteiligte Bewohnergruppen, Vereine, Kirchen usw.) als auch die lokale Privatwirtschaft.
Das Programm Stadtumbau West entstammt andern und späteren Wurzeln aus dem Jahr 2004. Es war ausdrücklich auf die Folgen des Demografischen Wandels, auf Schrumpfung gerichtet, wie sie erstmalig nach der Wiedervereinigung in den ostdeutschen Ländern auftraten. Als Reaktion hatte man das Programm "Stadtumbau Ost" aufgelegt, das die Probleme in den so genannten Plattensiedlungen durch Abriss, "Rückbau" genannt, bewältigen sollte. Durch den Abwanderungsstrom in den Westen waren dort massive Wohnungsleerstände entstanden mit infrastrukturellen Folgeproblemen wie z.B. Unterauslastung von Netzinfrastrukturen, (ÖPNV-Linien, Wasser-, Strom-, Heizungsnetze), Einstellung von Bus- und Bahnlinien, ausdünnende Nahversorgung (s. o.) sowie der Auflösung von Sozialstrukturen und Nachbarschaften.

Seitens der westdeutschen Kommunen wurde in der Folgezeit erfolgreich argumentiert, dass der ökonomische und demografische Strukturwandel, dem sie ausgesetzt wären, zwar nicht in vergleichbarem Ausmaß, so doch zu ähnlichen Wirkungen wie im Osten führe. Beide Situationen seien daher gleich zu behandeln. Das Programm "Stadtumbau West" wurde aufgelegt und im Programmrahmen des "Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus" (ExWoSt) mit 16 Pilotprojekten bundesweit gestartet. Zu den Pilotregionen gehörten aus dem Ruhrgebiet Essen, Oer-Erkenschwick und Gelsenkirchen.

Der Stadtumbau zählt zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart. Damit war ein Paradigmenwechsel im westdeutschen Städtebau eingeleitet, wenngleich auch noch bei weitem nicht akzeptiert und umgesetzt. Man stellt nicht mehr ausschließlich auf die Bedingungen und Förderung des Wachstums ab, sondern fragt regionsspezifisch nun nach der Gestaltung der Schrumpfung.

Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass zeitgleich auf europäischer Ebene eine Renaissance der Wachstumsstrategien in Form von raumordnungspolitischer Metropolisierung und Bündelung der entwicklungsstrategischen Bemühungen auf derartige Metropolregionen initiiert wurde. Ziel war es, auf der Grundlage des Vertrages von Lissabon (Jahr 2000) Europa bis 2010 zur weltweit führenden Großregion der wissensbasierten Ökonomie zu machen. Obgleich dieses Ziel als zu einseitig weltwirtschaftlich kritisiert und um ökologische sowie soziale Bestandteile nachgebessert wurde (Vertrag von Göteborg), war es fortwährend Akzeptanzproblemen ausgesetzt und bereits vor einigen Jahren als unerreichbar eingestuft.

Gleichwohl und unberührt von politischen Steuerungsversuchen entstanden und entstehen in den Städten "Weltmarktinseln" mit Headquaters der Großkonzerne, wissensintensiven Unternehmensdiensten und zugehöriger Versorgung (z.B. Hotels, Renthouses, Gastronomie, Hubschrauberlandeplätzen, vgl. in Essen den südlichen Bahnhofsbereich der "Essener Freiheit"). Funktional bilden diese Inseln städtische Subsysteme und Tendenzen zur sozialen/funktionalen Exklusion und gleichen in dieser Hinsicht den Problemquartieren ("no-go-areas") am anderen Ende der Skala monostrukturierter Quartiere.

Als Folge dieses Stadtumbaus entsteht Fragmentierung, eine Stadt kaum noch zusammengehöriger, verinselter Funktionswelten. Wie definiert sich Urbanität angesichts dieser Archipelisierung? Welche Aufgaben wachsen der "Urban Governance" zu? Kann eine integrierte Stadtteilentwicklung gelingen?

In Ergänzung zu der globalwirtschaftlich nach außen, auf weltweite Wettbewerbsfähigkeit durch Förderung der Innovationskapazität gerichteten Metropolisierungsstrategie, konzentrierte sich der Stadtumbau im Ruhrgebiet auch nach innen auf die sozialräumlichen und sozioökonomischen Problemlagen.

Zwei Handlungsfelder standen im Vordergrund:
(a) Wiedereingliederung der industriellen Brachflächen in den städtischen Wirtschaftskreislauf, deren Zahl und Umfang im Verlauf des industriellen Strukturwandels schubartig angewachsen war.

(b)Stabilisierung und Umbau von Wohnquartieren, in denen sich soziale und bauliche Probleme und/oder Leerstände häuften. Eingeschlossen ist dabei auch der "Rückbau", d.h. die Reduzierung von Geschossflächen durch Abriss der oberen Stockwerke.

Im Einklang mit diesen Problemfeldern bildet das Ruhrgebiet den räumlichen Schwerpunkt des "Programms Stadtumbau West". 28 Maßnahmen mit einem Fördervolumen von 35,7 Mio. Euro werden initiiert (Kamp-Murböck et al. 2007, S. 114f). Die Aufbereitung von Brachflächen stand dabei volumenmäßig im Vordergrund, dicht gefolgt von der Umstrukturierung von Wohnquartieren und - mit deutlichem Abstand - der Verbesserung der öffentlichen Räume und Grünflächen. Im Unterschied zum Umbauprogramm Ost war der "Stadtumbau West" offenbar weniger auf quantitativen Rückbau, sondern mehr auf qualitative Quartiersaufwertung gerichtet. Als Beispiel mag der Rückbau einer Großwohnsiedlung der frühen 1970er Jahre in Oer-Erkenschwick dienen. Ehemals bis zu 12-geschossige Wohntürme - innenstadtnah in bester Lage angesiedelt - sah sich das Quartier zunehmend mit sozialen Problemlagen und Leerständen konfrontiert. Im Rahmen des Pilotprojekts "Stadtumbau West" entstand bis in das Jahr 2008 durch Abtragung der oberen Stockwerke eine attraktiv gestaltete Wohnanlage, deren Wohnungen schon vor Fertigstellung der einzelnen Gebäude belegt waren (vgl. Bildfolge).
Bilder des Programms "Stadtumbau West": Oer-Erkenschwick" (2006 und 2007)
Quelle: Butzin
Entstehung von Problemquartieren

Die städtischen Problemquartiere des Ruhrgebietes entstanden aus einem komplexen Wirkungszusammenhang, der hier nur grob skizziert werden kann: Mit dem Arbeitsplatzabbau der Montanindustrie wurden einerseits Prozesse der "selektiven Abwanderungen" in Gang gesetzt: Vor allem die Jüngeren und besser Ausgebildeten im Berufsfindungs- und Familiengründungsalter suchten sich Arbeitsstellen in prosperierenden Regionen. Die zurückbleibenden, weniger mobilen und schwächer ausgebildeten Bevölkerungsgruppen, oft in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder arbeitslos, konzentrierten sich in bestimmten Stadtquartieren. Die Zurückbleibenden konnten es sich in der Regel finanziell nicht leisten, in andere Stadtteile, geschweige denn in andere prosperierende Regionen umzuziehen oder auch nur erhöhte Mietpreise im Zuge von Renovierungen und Aufwertungen der Häuser und Wohnungen zu bezahlen.
Umzugs- und Wanderungssalden 1996 bis 2000 in Dortmund in Abhängigkeit vom durchschnittlichen Ausländeranteil
Quelle: Meyer, Zimmer-Hegmann 2007, in ILS 2007, S. 50
Im Zuge der Bevölkerungsminderung ist allerdings der Wohnungsmarkt gerade im niedrigen Preissegment deutlich entlastet. Dadurch erfährt die Dynamik der sozialräumlichen Polarisierung weitere Verstärkung: Die (innerstädtischen) Umzugssalden und entsprechende Bevölkerungsverluste nehmen z.B. in Dortmund im Zusammenhang mit steigendem Ausländeranteil stark zu: Hohe negative Umzugssalden durch innerstädtische Umzüge werden insbesondere für benachteiligte Quartiere beobachtet, während die (Außen-) Wanderungssalden (schwach) abnehmen. Wegen der höheren Geburtenrate der (ausländischen) Quartiersbevölkerung muss die Bevölkerung dabei aber durchaus nicht schrumpfen.
Dortmunder Nordstadt 1970-2003: Entwicklung der Bevölkerung
Quelle: Piniek, Prey 2005
Die Fortzüge aus Problemquartieren nehmen zu, die Fluktuation steigt und damit sinken die Chancen auf quartiersbezogene Solidarität, politische Teilhabe, Mitsprache, Selbstorganisation und Übernahme von Verantwortung. Empfänger von Transferzahlungen, Menschen in prekären Beschäftigungs- und Lebensverhältnissen, z.B. Arbeitslose, arme Alte, weniger gut gestellte Ausländer und Alleinerziehende konzentrieren sich hier. Die Hauseigentümer investieren nicht mehr, das Image solcher Wohnlagen verschlechtert sich, die Viertel werden zu "Problemquartieren", zumal soziale Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kindergärten u.ä. hier trotz erhöhten Problemdrucks deutlich schlechtere Standards aufweisen.
Auch neigen Zuwanderer aus dem Ausland dazu, zunächst billigen Wohnraum vorzuziehen und sich überdies in der Nähe ihrer Landsleute anzusiedeln. Da deren Geburtenziffern zudem deutlich höher als bei den Einheimischen sind, weisen solche "Problemquartiere" in aller Regel auch erhöhte Anteile von Menschen mit Migrationshintergrund auf. Benachteiligte Stadtquartiere sind daher klassische Einwanderungsgebiete (Kamp-Murböck at al. 2007, S. 108).

Die veränderte Sozialstruktur bringt einen Wandel der Bedürfnislagen der Lokalbevölkerung mit sich, der sich als neuartige qualitative und quantitative Anforderungen besonders an die soziale, kulturelle und bildungsbezogene Infrastruktur des Stadtteils stellt. Denn der erhöhte Anteil an Kindern, besonders derjenigen mit Migrationshintergrund, birgt besondere Herausforderungen: Strohmeier und seine Forschungsgruppe (Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung / ZEFIR an der Ruhr-Universität Bochum) weisen darauf hin, dass in den "segregierten Armutsvierteln" besonders viele Kinder und Jugendliche leben. Deren Lebens- und Erfahrungswelt werden durch die Quartierswelt dauerhaft geprägt. Sie sind nicht selten von Ausgrenzung, fehlender politischer Teilhabe, schwach ausgeprägter zivilgesellschaftlicher Verantwortung und unzureichenden Bildungs- und Qualifizierungsstandards gezeichnet.
"A-Faktor und Wohlstandsfaktor in den Kreisen und kreisfreien Städten in NRW"
Quelle: Meyer, Zimmer-Hegmann 2007, S. 51
Einen Überblick zur Situation des Ruhrgebiets bezüglich der Segregation zwischen Armen und Reichen vermittelt die Abbildung "A-Faktor und Wohlstandsfaktor in den Kreisen und kreisfreien Städten in NRW". Wohlstandsfaktor (verfügbares Einkommen) und A-Faktor (Anteile der Armen, Alten, Arbeitslosen, Ausländer, abnehmende Bevölkerung) korrelieren in bestimmten Städtegruppen hochgradig: Niedrige bis durchschnittliche Ausprägungen des Wohlstandsfaktors bei durchgängig hohen Anteilen des A-Faktors prägen das Ruhrgebiet (Spitzenreiter: Gelsenkirchen, Herne und Duisburg). Dem stehen hoher Wohlstand und niedriger A-Faktor z.B. in Ost-Westfalen gegenüber. Städte des Rheinlandes weisen bei überdurchschnittlichem Wohlstand zugleich hohe A-Faktoren auf: Hier scheint die Schere zwischen arm und reich am deutlichsten ausgeprägt. Zu dieser Gruppe gehören nach Düsseldorf und Bonn auch Essen und Mülheim.
Schulabgänger ohne Abschluss nach Schulformen und Staatsangehörigkeit
Quelle: Strohmeier 2008, o. S.
Besonders gravierend ist dabei der Sachverhalt, dass sich systematisch schwächere Bildung gleichsam "vererbt", wie die hohen Zahlen der Schulabbrecher und geringen Anteile höherer Schulabschlüsse in den unteren Einkommensschichten belegen.

Jüngere Ansätze "Integrierter Stadtentwicklungskonzepte"

In den letzten Jahren wird in Deutschland unter dem Druck des Demografischen Wandels und der neoliberalistischen Ökonomie verstärkt eine neue Generation von Stadtentwicklungskonzepten erarbeitet. Von den im Jahr 2004 befragten fast 200 Kommunen Nordrhein-Westfalens (neuere Zahlen liegen nicht vor) halten ca. 90% ein integriertes Stadtentwicklungskonzept für erforderlich, bei etwa 50% liegt ein solches Konzept bereits vor (Carl, Wuschansky 2007, S. 104).

Eine Typisierung der Ansätze in Nordrhein-Westfalen weist Schwerpunkte auf, die einerseits im Bereich konkret räumlicher, projektbezogener, problemlösender Ansätze liegen. Sie beziehen sich in der Regel auf die Stadtteilebene, wobei oft ein strategischer Ansatz fehlt oder nur als grobe Skizze aufgenommen ist. Andererseits zeigt sich eine gewisse Vorliebe für leitbild- und strategieorientierte Konzepte, die nur einen geringen räumlichen Projektbezug aufweisen. Allerdings erscheint es angesichts der langen Ausreifezeit derartiger Projekte noch zu früh, diese Typisierung einer Bewertung zu unterziehen.
Typisierung integrierter Stadtentwicklungskonzepte in Nordrhein-Westfalen
Quelle: Carl, Wuschansky 2007, in ILS 2007, S. 105
Der jüngsten Programmvariante der "Integrierten Stadtentwicklung" liegt die (späte) Einsicht zugrunde, dass die interregionale und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Stadtregionen - im Zuge der Globalisierung zum Schlüsselfaktor der Regionalentwicklung avanciert - nicht allein mit Wirtschafts- und Technologieprogrammen zu erreichen ist, sondern maßgeblich von gesunden und attraktiven Städten abhängt:

"Integrierte Stadtentwicklungspolitik ist eine Erfolgsbedingung für die nachhaltige europäische Stadt. Und nur eine nachhaltige europäische Stadt ist eine lebenswerte Stadt. In der Entwicklung der Städte in Europa liegt ein wesentlicher Schlüssel für mehr Wachstum und Beschäftigung" (Lütke Daldrup 2006, zit. nach Carl, Wuschansky 2007, S. 97).

Das Beispiel Herten
Gerade die kommunale Handlungsstrategien der Ruhrgebietsgemeinden reagieren darauf mit unterschiedlichen, nicht selten innovativen Ansätzen der Stadtentwicklung. Als Beispiel sei auf Herten, Bochum und Gelsenkirchen hingewiesen (vgl. ILS 2003). Neue, vor einigen Jahren kaum denkbare Handlungsmaximen tauchen da auf (Auswahl):

Herten plädiert für "Chancen sehen und nutzen". Ein Kernansatz widmet sich der "Stadtentwicklung rückwärts", die anstelle des "Teufelkreises der Schrumpfung" auf aktive kommunale Handlungsformen setzt. Bei der Planung der Schrumpfung haben u. a. "Qualität der Nutzung auf neuen innenstädtischen (Frei-)Flächen", aber auch Infrastrukturanpassung und -rückbau Vorrang. Die Bestandspflege setzt bei zielgruppenspezifischen Programmen zur Erhaltung der Attraktivität räumlicher Strukturen an. Umfangreiche Flächenausweisungen für den Ein- und Zweifamilienhausbereich werden angestrebt, um die Randwanderung innerhalb des Stadtgebietes aufzufangen.

Einer der Strategiebausteine setzt z. B. an bei der Schließung und dem Verkauf von 10% der Spielplätze an, eine Fläche, die in 30 - 40 Wohneinheiten umgewidmet werden kann. Dabei sollen ein Drittel des Erlöses in der Neugestaltung der verbleibenden 90 Spielplätze, ein weiteres Drittel in die Förderung der betroffenen Stadtteile investiert werden.
Quelle: Autorenteam, nach Linder 2003, S 45ff
Strategiebausteine der Integrierten Stadtentwicklung: Beispiel herten

Ein weiteres Element bezieht sich auf die Entdeckung und den Ausbau der Potenziale des Stadtumbaus, die "im Engagement der Bevölkerung, der Wirtschaft, der Vereine und der Verwaltung liegen können" (Lindner 2003, S. 49).

Nicht der schnelle Erfolg in vermeintlich spektakulären Großprojekten wird gesucht, sondern der lange Atem für eher nahe liegende Wünsche der Bürgerschaft und das unmittelbare Lebensumfeld wird gesucht. Dabei ist bewusst, dass die Städte um die Einwohner konkurrieren. "Eine solche Konkurrenz ist weder anrüchig noch schädlich. Wenn jede Stadt ihre spezifische Potenziale ausschöpft, schafft der Wettbewerb untereinander insgesamt neue Qualitäten" (Lindner 2003, S. 49).

Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist 2007 die "Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt" verabschiedet worden und zur Handlungsmaxime der Stadtentwicklung erklärt worden. Die Initiative zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik (NSP) vom Mai 2008 greift diesen Ansatz für fünf Handlungsschwerpunkte auf (Lütke Daldrup 2008). Das integrierte Vorgehen nimmt hier - wie bereits bei den Vorläufern, dem Landesprogramm NRW und späteren Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt" - einen unverzichtbaren und zentralen Stellenwert ein.
Fünf Handlungsfelder der Nationalen Stadtentwicklungspolitik (NSP)
Quelle: Autorenteam, nach Lütke Daldrup 2008, S. 225
Im Kern steht dabei nach wie vor die städtebauliche, soziale und ökonomische Erneuerung benachteiligter Stadtquartiere. Es geht weiterhin um jene Bevölkerungsschichten, die im Verlauf des Strukturwandels in prekäre Lebenslagen geraten sind und u. a. von Armut, Ausgrenzung und Bildungsmangel betroffen, zu den "Verlierern" gehören. In diesem Ansatz werden Maßnahmen und Vorgehensweisen zusammengefasst, die überwiegend zuvor entwickelt worden sind und sich bewährt haben, nun aber auf allgemeiner (nationalen und europäischen) Ebene Verbindlichkeit erlangt haben bzw. erlangen sollen:

(a) eine fachliche, ressortübergreifende Integration bislang separater Entwicklungskonzepte; aber auch

(b) die Einbeziehung und Zusammenführung aller relevanten Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft und (Lokal-) Wirtschaft (Private-Public Partnership neuer Prägung mit Beteiligung der Zivilgesellschaft);

(c) eine Bündelung der Finanz- und privaten Investitionsmitteln;

(d) ganz besonders aber sind im Sinne der "lernenden Region" innovative und unkonventionelle Ideen gefragt, die den neuen Herausforderungen der Stadtentwicklung dienen und durch Vernetzung der Projekte kommuniziert werden.
Integrationsbereiche der "Integrierten Stadtentwicklung"
Quelle: Autorenteam
Es bedarf neben der nach außen gerichteten, internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Stadtregion einer gesunden, attraktiven städtebaulichen Qualität sowie einer innovativen und diversifizierten Wirtschaftsbasis. Eingebettet in die jeweilige Sozialstruktur und Regionalqualität, erscheint es wesentlich, dass der Arbeitsmarkt Tätigkeiten sowohl für verschiedene Anspruchs- und Bildungsniveaus anbietet als auch ein diversifiziertes Branchenspektrum von Low-Tech über Medium-Tech bis High-Tech.

Dazu müssen die Strategien und Programme auch nach innen gerichtet werden auf die Gefährdungen, d.h. auf Steuerungsmaßnahmen
  • der räumlich funktionalen Fragmentierung
  • der sozialräumlichen Segregation / Desintegration der Stadtgesellschaft
  • des demografischen Wandels mit seinen komplexen, problematischen Wirkungen
  • der Probleme eines auch zukünftig funktionsfähigen Arbeitsmarktes
  • die Stärkung der lokalen Ökonomie.


Denn "zukunftsfähige Aufwertungs- und Entwicklungsprozesse können nicht künstlich erzeugt werden sondern müssen immer an den vorhandenen ("endogenen") Stärken ansetzen" (Wittke 2008, o.S.).
Gefährdungspotenziale der Stadtentwicklung
Quelle: Autorenteam
Gerade die "lokale Ökonomie" bildet eine entscheidende, stadtgesellschaftliche Ergänzung zur "High-End" - Ökonomie wie etwa die in globaler Konkurrenz stehende Cluster-Wirtschaft, die Hochtechnologie, New Economy, Kreativ- und Kulturwirtschaft und die wissensintensiven Dienstleistungen. Klassische Investitionen der Städtebauförderung in Gebäude und Wohnungen, in Wohnumfeld und Infrastruktur reichen dazu nicht mehr aus. Es bedarf weiterer Maßnahmen, um die soziale und ökonomische Lebenslage der betroffenen Bevölkerung zu verbessern. Dazu gehören besonders:
  • die Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung (z.B. in der "Lokalen Ökonomie", "Arbeit im Quartier"),
  • die Jugend- und Bildungspolitik (Ausbildung und Qualifizierung),
  • das Gesundheitswesen und
  • Kulturbereiche (u.a. ethnische und soziale Integration).


Die Umsetzung einer solchen neuartigen, breit angelegten Entwicklungsstrategie bedarf neuer Wege, so etwa eines Quartiersmanagements, das das Handeln der Institutionen, der Bewohner und (lokalen) Wirtschaftspartner vernetzt, das Engagement mobilisiert und koordiniert. Neu ist auch, dass seit 2006 derartige Maßnahmen aus Mitteln der Städtebauförderung unterstützt werden können. Mangels passender Musterlösungen oder bewährter Erfahrungen aus der Vergangenheit aber spielen kreative Elemente des Experimentierens, des Lernens, des interregionalen Austauschs eine entscheidende Rolle: "Die "Soziale Stadt" versteht sich nunmehr als lernendes Programm und als Plattform zum Austausch von Ideen und Erfahrungen" (Tiefensee 2008, o. S.).

Hier sollen einige ausgewählte Beispiel auf Stadtteilebene skizziert werden, da sich die räumlichen Folgen des Demografischen Wandels mit wenigen Ausnahmen nicht auf gesamtstädtischer Ebene, sondern in der Regel eher auf der kleinräumigen Ebene zeigen. Im Gegensatz dazu zeitigen die sektoralen Folgen, z.B. Finanzkraft, Arbeitsmarkt, Infrastruktur, eher Wirkungen auf der gesamtstädtischen Ebene (s.o.).

Beispiele Integrierter Stadt(teil-)Entwicklung

Beispiele einer solchen neuartigen "Integrierten Stadtentwicklungsstrategie" finden sich im Ruhrgebiet vielfach (vgl. BBR 2008; Bertelsmann Stiftung 2008; ILS 2007; ILS 2003):

  • Ahlen Südost: Gewerbezentrum (BBR 2008 S. 30 - 31)
  • Essen-Katernberg: Triple Z: Lokale Ökonomie (BBR 2008, S. 32 - 33)
  • Essen: Stadtumbau West
  • Gelsenkirchen-Bismarck: Zeche Consol: Mehrzielprojekte zur Stadtteilstabilisierung (BBR 2008, S. 34 - 35, ILS 2007, S. 106 - 120, Bertelsmann 2008, S. 84)
  • Oberhausen-Knappenviertel: Bürgerzentrum (BBR 2008, S. 48 - 49; ILS 2007, S. 111f)
  • Dortmund-Nordstadt: lokale / ethnische Ökonomie; Wohnumfeldqualität, (s. auch ILS 2007, S. 50, BBR 2008, S. 58 - 59)
  • Dortmund-Scharnhorst: Gebäudesanierung, ökologischer Wassernutzung (BBR 2008, S. 92 - 93)
  • Dortmund Clarenberg: Aufwertung einer Großwohnsiedlung (ILS 2007, S. 153 - 154)
  • Dorsten-Wulfen (Abriss, Umbau von problembelasteten Großwohnanlagen) (ILS 2007, S. 118)
  • Zu weiteren Ausführungen zur jüngeren Stadtentwicklung mit Bezug zur Integrierten Stadtentwicklung Bochums, Gelsenkirchens, Hertens (ILS 2003)


Beispiel: Oberhausen-Knappenviertel
Bürgerzentrum auf dem Hochbunker "Alte Heid"
Quelle: Stadt Oberhausen
Als gelungenes und ruhrgebietstypisches Beispiel für die Umbau-Philosophie im Programmrahmen "Soziale Stadt" kann die Umnutzung eines Hochbunkers aus dem Zweiten Weltkrieg im Oberhausener Knappenviertel gelten. Funktionslos und nur sehr kostenintensiv zu beseitigen, stand er als Fremdkörper inmitten eines Wohngebietes der Firma Thyssen-Krupp, das aus dreigeschossigen schmucklosen Miethauszeilen bestand. Unter Beteiligung der lokalen Bürgerschaft entstand ein soziokulturelles Zentrum, das zugleich als lokales Bürgerzentrum diente (Ziel: Aufbau von Sozialer Infrastruktur) und sich als Anlauf- und Identifikationspunkt der Akteure des Viertels, für Veranstaltungen, Vereine, stadtteilbezogener Initiativen, für soziale und kulturelle Dienstleistungen bewährt hat. Eine der wichtigen Zielgruppen bilden die Senioren, die in der Wohnumgebung überproportional vertreten sind und aufgrund der neuen, wohnungsnah gelegenen Pflege- und Versorgungsenrichtungen nun in der Siedlung bleiben können (ILS 2007, S. 113; BBR 2008, S. 48 - 49).
Die Stadt Oberhausen siedelte hier wenig später das "Stadtteilzentrum Ost" an (Ziel: Dezentralisierung bürgernaher Verwaltung). Damit sind tragfähige Strukturen entstanden. Mit diesen drei Funktionen des Stadtteilzentrums, des Bürgerhauses und des sozial-kulturellen Zentrums scheint ein doppelter Erfolg auf den Weg gebracht worden zu sein: Nicht nur Außenimage und Innenbild haben sich gebessert, sondern insgesamt ist ein Erneuerungsprozess eingeleitet worden, der auch in Zukunft eine weitere Aufwertung des Stadtteils erwarten lässt (Internet 1).

Beispiel: Dortmund Hafenkai
In den soziokulturell begründeten Änderungstendenzen spielt die Pluralisierung der Lebensstile und entsprechender Angebotsvielfalt eine wichtige Rolle. Ein gutes und kreatives Beispiel dafür bietet das Erlebniszentrum "Solendo", innenstadt- und wohnungsnah im Südosten des Dortmunder Stadthafens gelegen. Ein gepachtetes Grundstück der nicht mehr genutzten Hafenanlagen ist mit einigen Tonnen Feinsand aufgeschüttet worden, ein kleines Fischerboot, Strandkörbe, Palmen, Bestuhlung sowie eine Bar- und Imbisshalle vervollständigen das Strandambiente. Gegen Eintritt wird das Angebot auch bei nicht scheinender Sonne als "kultige" Entspannung gern angenommen. Es dient den nahe liegenden Arbeitsstätten zur originellen Mittagspause und den Bewohnern der eng bebauten, lärmigen Nahumgebung als Erholungs-, Begegnungs- und Erlebnisstätte der "anderen" Art. Abends werden Veranstaltungen angeboten, private Feste sind möglich (vgl. Meisel 2007, S. 146).
Im Hafen Dortmund: Infrastrukturbrache und Neu- / Zwischennutzung 2007
Quelle oberes Bild: RVR-Fotoarchiv; Quelle unteres Bild: Butzin
Hier hat eine intelligente Privatinitiative die Potenziale der pluralisierten Lebensformen neu interpretiert und eine ideale Kombination aus preiswerter ungenutzter Brachfläche, leer stehendem Baubestand und wenig aufwändiger Umgestaltung geschaffen. Die ursprünglich quartiersbezogene Umnutzung hat inzwischen Kultstatus für Eingeweihte der Dortmunder Nordstadt und darüber hinaus. Sie trägt zur Vielfalt eines urbanen, innovativen (Quartier-)Lebens bei und bietet als Dienstleistungsunternehmen der lokalen Ökonomie überdies Arbeitsplätze.

Beispiel Dortmund - Clarenberg
Ein Beispiel für gelungen Kooperation von Akteuren (PPP mit Beteiligung der Zivilgesellschaft) in der Stabilisierung und Aufwertung von Großwohnsiedlungen stellt Dortmund Clarenberg dar. Anfang der 1970er Jahre im gründerzeitlichen innenstadtnahen Stadtteil Dortmund-Hörde errichtet, hatten die schmucklosen, bis zu 17-geschossigen Wohntürme schon eine knappe Generation später erhebliche soziale und bauliche Problemlagen (hohe Fluktuation, Vandalismus, Konzentration von benachteiligten Bevölkerungsgruppen, Negativimage, Leerstände) zu verzeichnen (vgl. Thema "Wohnen und Bauen"). Im Jahr 1996 in das Programm "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" aufgenommen, wurde ein integriertes Handlungsprogramm zwischen der Stadt Dortmund und dem Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft mbH erarbeitet. Dabei hat man die Bewohner von Anfang an am Entwurf und Umsetzungsprozess beteiligt, um mehr Akzeptanz und bedarfsgerechte Passgenauigkeit zu erzielen (ILS 2007, S. 154).
Dortmund Clarenberg: vorher - nachher
Quelle: ILS 2007, S. 153, 154
Gestaltung, Lebens- und Aufenthaltsqualität heben wesentlich verbessert werden können. Dortmund - Clarenberg wird in der Fachwelt als Erfolgsmodell gewertet. Auch hier zeigt sich, dass soziale Nachhaltigkeit und ökonomische Effizienz kein Widerspruch sind: Beispielsweise bedeutet sowohl die geminderte Fluktuation als auch die geringen Leerstandsquoten günstigere Bewirtschaftungskosten und somit spürbare Einsparungen bzw. verbesserte Rentabilität für die Wohnungsgesellschaft.

Beispiel Gelsenkirchen-Bismarck / Schalke-Nord
Nach der Stilllegung der Zeche "Consolidation" im Jahre 1995 wurden 4000 Bergbaubeschäftigte arbeitslos. Eine 25 ha große Zechenbrache entstand inmitten der Bergbausiedlung mit entsprechend typischen Strukturmerkmalen altindustrieller, Bergbau geprägter Stadtteile: hohe (Langzeit-) Arbeitslosigkeit, geringe Erwerbsquote der Frauen, hoher Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund (Ausländer und deren Kinder z. T. mit deutschem Pass), viele Kinder, ausbleibende Investitionen in den Wohnungs- und (sozialen) Infrastrukturbestand, selektive Abwanderungen und schließlich Leerstände rund um das eingemauerte und abgezäunte Brachflächenareal.

Das Integrierte Handlungskonzept wurde als typisches Mehrzielprojekt entworfen und umgesetzt: Das Zechengelände hat man umgenutzt zu einer Mischnutzung aus Frei-, Sport- und Grünfläche, wobei die Jugendlichen beim Entwurf einer Inline-Skaterbahn beteiligt wurden. Das Theater Consol steht der Lokalbevölkerung für den Kunstbetrieb zur Verfügung, eine neu errichtete Geschäftszeile dient der Nahversorgung (vgl. Bertelsmann Stiftung 2008, S. 78 - 87; BBR 2008, S. 34 - 35).

Als IBA-Projekt wurde hier das Projekt "Einfach und selber bauen" umgesetzt, das preisgünstig, unter fachlicher Leitung und mit flexiblem Einsatz an Eigenleistung, einem Teil der Quartiers- und Stadtbevölkerung zum Eigenheim verhalf. Fassadenprogramm für private Hauseigentümer, Schulhofgestaltung, Verkehrsberuhigung und der Start des Solarsiedlungsprogramms wurden im Rahmen der Stadtteilerneuerung eingesetzt. Letzteres bildet seither eines der Standbeine des Gelsenkirchener Strukturwandels "Von der Stadt der 1000 Feuer zur Stadt der 1000 Sonnen".

Vielfältige Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen mit jährlich bis zu 200 Teilnehmern dienen - unterstützt von lokalen Büros für (lokale) Wirtschaftsentwicklung - der Stärkung und Stabilisierung des ansässigen Gewerbes und Einzelhandels. Langzeitarbeitslose werden mit Qualifizierungsmaßnahmen und sozialpädagogischer Betreuung bevorzugt in gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten eingebunden (z.B. Pflegearbeiten im öffentlichen Raum, Hilfstätigkeiten in neu geschaffenen sozialen Einrichtungen; Ausbildung als Gabelstabler, Gerätescheine für Garten-, Landschafts- und Holzarbeiten; EDV-Kurse). Ziel ist es, die Integrationschancen in den ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen. Für Jugendliche werden in der Stadt Praktikumsplätze in Unternehmen angeboten, die ebenfalls die Vermittlung in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen.

Um der Bildungsbenachteiligung möglichst frühzeitig zu begegnen, hat man bereits in den Kindertagesstätten und Grundschulen ein Programm zur Sprachförderung eingerichtet. Die soziale und kulturelle Infrastruktur ist u.a. durch das IBA Projekt einer multikulturellen und ökologischen Stadtteilschule in Bismarck ("Evangelische Gesamtschule") verbessert worden. Die Küche der Tagesschule hat sich inzwischen um einen im Stadtteil gut angenommenen Party- und Catering-Service erweitert, der Arbeitsplätze und Einkommen generiert.

Dem Quartiersservice obliegt die Aufgabe, für die Umgestaltung und Aufwertung der Kindergärten, Schulen, öffentlichen Sport- und Grünanlagen zu sorgen, Nachbarschaftsfeste und sonstige Feiern zu unterstützen, Hilfeleistungen bei Umzügen und Transporten, Auf- und Abbau zu gewähren.

Ein vitaler "Heimatverein" wird ehrenamtlich geführt und stärkt die symbolische Ortsbezogenheit und Binnenidentifikation des Stadtteils.

Stadtteilerneuerung, Quartierservice / Lokale Ökonomie und Stärkung der sozialen, kulturellen Infrastruktur, Gemeinwesen und Jugendarbeit greifen hier Hand in Hand. Dazu ist ein Stadtteilbüro unverzichtbar, das einen Teil der Koordinationsaufgaben und das Management vor Ort übernommen hat.

Kritische Perspektiven zum Stand der "Integrierten Stadtentwicklung / Sozialen Stadt"
Das, was bewegt wird im Rahmen der Stadtteilprogramme, erscheint mit Einschränkungen Erfolg versprechend, dürfte aber in der gesamtregionalen Wirkung auf das Ruhrgebiet nicht hinreichend sein:

(a) Die Erfahrungen seit Anfang der 1990er Jahre zeigen, dass die "Soziale Stadt" eine Daueraufgabe ohne Dauerlösung darstellt (Selle 2006, o.S.).

(b) Sind Stadtteile und Bevölkerungsgruppen erst einmal ausgeschlossen und allein schon wegen ihrer Adresse "gebrandmarkt", so ist der Weg in die Inklusion, die Mobilisierung gesellschaftlicher Teilhabe und Mitverantwortung außerordentlich kostspielig und/oder langwierig. Strohmeier weist hier einen erst noch zu testenden Weg in Form von "Selbermacherprojekten" (Strohmeier 2004, S. 65f).
(c) Zudem besteht die Wahrscheinlichkeit, dass das Problem schneller zunimmt als es bewältigt werden kann. Alles spricht für die These der "Vererbbarkeit" von Bildungsarmut einerseits und der vergleichsweise hohen Fertilität benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Das Problem wird also mit einiger Wahrscheinlichkeit wachsen.

(d) Auffällig ist, dass sich diese Programmatik in ihrer Orientierung auf soziale, räumliche und ethnische Segregation und daraus entstehende (räumlich konzentrierte) Problemlagen ebenso wenig um das andere Standbein der Stadtentwicklung, nämlich Standortgunst für die überregionale / internationale Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftsleistung kümmert, wie diese um die sozialen Belange (vgl. Thema "Metropole Ruhr"). Zwischen Politiken der Sozialen Stadt (einschließlich der "Lokalen Ökonomie") und der Wirtschaftspolitik der internationalen "High-End - Ökonomie" zeigt sich eine altbekannte Kluft, die ein genaues Abbild der Konfliktsituation zwischen volkswirtschaftlicher und Gemeinwohl orientierter sowie kurzfristiger, betriebswirtschaftlicher Interessen zeichnet. Beide Pfade driften in den Ruhrgebietsstädten stark auseinander.

(e) Auffällig ist gleichfalls, dass ein Konzept der Nachhaltigkeit nur implizit, diffus und kurzsichtig gewagt wird: Gelänge Flächensparen, Brachflächen-Recycling, die Aufwertung sozialer / städtebaulicher Problemquartiere und die Integration benachteiligter Bevölkerungsgruppen, so wäre zweifellos sehr viel an zukunftsstabiler Gestaltungsmacht gewonnen.

Das die "Stadt als Wirtschaftsraum" ergänzende Leitbild der "Freiräume und postindustriellen Stadtnatur als (neue) urbane Qualitäten", gewonnen aus Gestaltungsspielräumen des demografischen und technologisch-wirtschaftlichen Wandels, steht erst ganz am Anfang. Die in der Internationalen Bauausstellung Emscher Park initiierten und fortgeführten Projekte zum Emscherraum (Emscher Landschaftsplan 2010, Zukunft Emscher) bilden hier ermutigende Ausnahmen.

Gerade die wechselseitige Abhängigkeit und Einflussnahme zwischen beiden Bereichen müssen aber unter "neuen" Rahmenbedingungen der im globalen Wettbewerb stehenden, wissensbasierten "High End - Ökonomie" und des Demographischen Wandels wieder neu in den Blick genommen werden:
  • Wie kann also die "integrierte Stadtentwicklungspolitik" integriert werden oder anders: Wie kann einerseits die von der High-End - Economy abgekoppelte Bevölkerung re-integriert und wie die sozial exkludierte, benachteiligte Bevölkerung zurück in die Stadt geholt werden?
  • Wie kann die wissens- und innovationsgetriebene, global orientierte Stadtökonomie zurück in die (Stadt-)Gesellschaft geholt werden?


Deren Personal der Wissensökonomie operiert flexibilisiert, mobil, hochqualifiziert in turbulenten oder / und unsicheren Arbeitsverhältnissen. Die Entbettung - im wörtlichen wie übertragenen Sinn - nimmt zu und mit ihr eine gewissse Vulnerabilität. Denn Familie und Kinder, in welcher Form auch immer, erscheinen wenig opportun in hochgradig flexibilisierten Lebenswelten der WissensarbeiterInnen. Diese Zukunftsvergessenheit verspielt nach heutigem Stand in jeder Generation je ein Drittel der nächsten Generation und damit die heute wie zukünftig existenznotwendigen Arbeits- und zugleich Absatzmärkte der (Stadt-)Wirtschaft.