Vertiefung: Industrie als Verbundsystem

Im Ruhrgebiet hat sich über Jahre ein engmaschiges Verbund-System entwickelt. Dieser Verbund erfordert sowohl innerbetriebliche als auch außerbetriebliche Infrastruktur-Anlagen. Straßen und Werkseisenbahnen verbinden die Zeche mit der Kokerei, diese mit dem Hochofen, diesen mit dem Stahlwerk und das Stahlwerk wiederum mit den Walzwerken, Schmieden und Pressen.

Die chemische Industrie ist das dritte Standbein der Verbundwirtschaft. Denn was geschieht mit den anfallenden Nebenprodukten? Die Hüttenwerke benötigen für die Schmelze einmischbaren Koks. Durch die Veredelung von Kohle zu Koks entsteht Gas und daraus Wärme. Diese Abwärme der Kokereien wird in den Winderhitzern der Hochöfen genutzt: Was zunächst Abfall war, wird zum Wertstoff. "Im Zeitalter der Abhitzeöfen mit Umsetzung der in den Koksöfen erzeugten Wärmeenergie in Dampf konnte sich die Anlage der Kokerei schon nach 3 1/2 Betriebsjahren amortisieren" (Buschmann 1993, S. 25).
Deshalb wird in der Hüttenindustrie eine eigene Gaswirtschaft ausgebaut. Die Koksöfen wiederum werden mit deren Gichtgas aus dem Schmelzprozess der Hochöfen beheizt. Das Koksofengas hingegen wird nicht nur in den Hochöfen eingesetzt, sondern auch in den Siemens-Martin-Öfen, die das Eisen zu Stahl veredeln. Diese Verflechtungen waren umso enger, als auf Grund der unterschiedlichen Heizwerte die Gase nur von dem jeweiligen Verbundpartner nutzbar waren. Ein engmaschiges Geflecht von Gas-Pipelines ist die Folge.

Diese Band-Infrastruktur durchzieht vor allem das nördliche Ruhrgebiet mit einem dichten Netz an baulichen Anlagen, die heute - in vielen Regionsteilen nutzlos geworden - die Siedlungen durchschneiden, Verkehrshindernisse darstellen, Wohnwert und Lokal-Image beeinträchtigen und die Neunutzung der Flächen erschweren.