Schrumpfungsprozesse und Rückbaukonzepte - Projekt Stadtumbau West in Oer-Erkenschwick

Steigender Wohnungsleerstand ist in Deutschland nicht mehr allein ein Problem der neuen Bundesländer. Nachdem im Jahr 2001 das Bund-Länder-Programm "Stadtumbau-Ost" beschlossen wurde und von 2002 bis 2009 rund 2,7 Milliarden Euro für die Stadterneuerung zur Verfügung gestellt werden, fand im Mai 2003 eine Auftaktveranstaltung zum Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt)-Forschungsvorhaben "Stadtumbau West" in Bremen statt (Internet 11). Übereinstimmend konnte festgestellt werden, "dass auch in den alten Ländern rückläufige Bevölkerungsentwicklungen und ein wirtschaftlicher Strukturwandel Umsteuerungs- und Anpassungsmaßnahmen erforderlich machen" (Internet 10). Gerade Städte, die in der Industrialisierungsphase des 19. und 20. Jahrhunderts überdurchschnittlich gewachsen sind und sich zudem monostrukturell entwickelt haben, sind vom Rückgang an Arbeitsplätzen und Einwohnerzahlen besonders betroffen.

Laut einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung wird das Ruhrgebiet bis 2015 mehr als 350.000 oder 7 % seiner Einwohner verlieren (Klemmer 2001; s. Thema "Bevölkerung und Arbeit"). Dabei kann es in Ruhrgebietsstädten wie Essen zu einem "dramatischen Bevölkerungsrückgang von mehr als zehn Prozent in nur 15 Jahren (kommen). Bis 2020 ist in Essen mit einem Leerstand von "24.000 (...) Wohnungen zu rechnen" (Internet 11).
Siedlung Schillerstraße vor der Sanierung
Quelle: Autorenteam
Im Rahmen des Projekts "Stadtumbau West" wurden bundesweit elf Pilotstädte ausgewählt, die als Krisenstandorte eines gemeinsam haben: einen wirtschaftstrukturbedingten, überproportionalen Rückgang der Bevölkerung. Dass es aber nicht nur um reine Umbaumaßnahmen geht, sondern zum Teil auch um umfangreiche Stadtteilrückbaumaßnahmen, zeigt beispielhaft das Wohnviertel Schillerpark in Oer-Erkenschwick. Es wies im Jahre 2002 15 % Wohnungsleerstände auf (Internet 11).
Luftbild der Siedlung Schillerstraße
Quelle: mit freundlicher Genehmigung der Stadt Oer-Erkenschwick, FB 4 / Produktbereich Tiefbau
Im Gegensatz zu anderen Pilotstandorten gab es in Oer-Erkenschwick in den vergangenen Jahren jedoch noch einen Bevölkerungszuwachs. Er fand seine Ursachen in der typischen Baulandpolitik der kleinen Randzonen-Gemeinden, welche die flächenverbrauchende Zersiedlung förderte. Der hohen Nachfrage entsprach die Lagegunst in der Nähe zum Naturpark Hohe Mark und zum Münsterland. Darüber hinaus ist Oer-Erkenschwick verkehrsgünstig mit dem übrigen Ruhrgebiet verbunden. Nach 1991 war so ein Bevölkerungsgewinn von etwa 5.000 Einwohnern entstanden (Internet 12). Überwiegend prägen aufgelockerte Siedlungsstrukturen mit Ein- und Zwei-Familienhäusern in Stadtrandlage das heutige Stadtbild (Internet 13).
In den innenstadtnahen Bereichen bietet sich ein anderes Bild. Teilweise fanden sich dort noch Baustrukturen aus den 1960er und 1970er Jahren in Form von Hochhäusern. Sie stammen aus Zeiten, als man noch von ungebrochenem Wachstum der Städte ausging. Ein Beispiel für die heute kaum noch akzeptierte defizitäre Wohnqualität bot die Wohnsiedlung Schillerpark in der Halluinstraße mit einst zwei- bis zwölfgeschossigen Gebäudekomplexen. Als Typus des vielgeschossigen sozialen Wohnungsbaus der 1970er Jahre "stellt der 'Schillerpark' einen städtebaulichen Fremdkörper dar, dessen großstädtische Wohnform zudem heute nicht mehr nachgefragt wird und der sich zu einem sozialen Brennpunkt entwickelt hat" (Internet 14).

Die Wohnsiedlung wurde über einen "geordneten Teilrückbau" verändert: Die drei höchsten Häuser werden abgerissen, die übrigen auf drei Stockwerke reduziert und mit einem Penthouse versehen, teilweise neue Gebäude errichtet. Die Anlage wurde so von einstmals 221 Wohnungen auf 120 reduziert zzgl. 23 Neubauten (Internet 26).

Durch die Attraktivierung von Altbauten in Innenstadtbereichen soll so die Lebens- und Wohnqualität gesteigert und der Neubau von Siedlungen an den Stadträndern eingedämmt werden.

Durchgeführte Aktivitäten (Internet 25):
  • Teilrückbau von Wohnungen
  • Aufwertung des Wohnumfeldes
  • Aufwertung und Modernisierung der Gebäude inkl. Verbesserung der baulich-energetischen Situation
  • Bewohnerorientierte Wohnraumanpassung für Senioren und Menschen mit Handikap
  • Wohnbegleitende Service-Dienstleistungen basierend auf einer Kooperation der Vestisch-Märkischen Baugesellschaft mbH (VMW) mit dem benachbarten Altenwohn- und Pflegeheim "Matthias-Claudius-Zentrum" der Diakonie
  • Aufstockung mit Penthousewohnungen und hochwertige städtebauliche Ergänzung mit "seniorenfreundlichen" Wohnungen aufgrund der großen Nachfrage.

Die Projektphase wurde Ende 2007 erfolgreich abgeschlossen.