Warum Industriekultur?

Taucher im Gasometer des Landschaftsparks Duisburg-Nord
Quelle: RVR Fotoarchiv
Soll aber das Industriedenkmal nicht nur als historisierende Fassade, als attraktive, aber beliebige Hülle dienen, bedarf es der inhaltlichen Füllung und "Bespielung" z.B. durch Theater, Ausstellungen oder Ereignisse. Diese fordern zur (Um-)Deutung heraus und zum Nachdenken durch immer neue Bezüge zur Gegenwart und durch anregende experimentelle Sinngebungen in künstlerischen, sozialen oder auch ökologischen Bezügen. Konzerte, Theateraufführungen, Ausstellungen, die zurückkehrende Natur, aber auch Klettern und Tauchen, Hochzeit feiern in den einst unzugänglichen "verbotenen Orten" bieten neue Chancen zur Teilhabe, aktiven Aneignung oder kritischen Auseinandersetzung.
Klettern im Landschaftspark Duisburg-Nord
Quelle: RVR Fotoarchiv
Industriekultur geht noch einen Schritt weiter: Die Umgestaltung von Halden zu Landmarken und Kunstbauwerken weist den Weg: Halden konnten bei der Lokalbevölkerung einst Namen haben, z.B. "Monte Schlacko". Der Name spiegelt genau die ironische Distanz, die Ambivalenz im Umgang mit diesen lebensweltlich inkorporierten Fremdkörpern, denn einerseits dienten sie mehr schlecht als recht dem symbolischen Ortsbezug, andererseits aber nicht der Identifikation.
Tetraeder in Bottrop
Quelle: RVR Fotoarchiv
Die Kunst macht die Halden lesbar, regt zu Auseinandersetzung mit überraschenden Sinngebungen an, vermittelt spätestens durch die Akzeptanz seitens der (auswärtigen) Besucher Wertschätzung, Orientierungssicherheit und Identifikations-Chancen nach innen. Entsprechende Signale nach außen dienen - nebenbei - der Standortwerbung, der (seltenen) Konvergenz von Kunst und Wirtschaftsförderung.
Durch Kunst (z.B. Serras Bramme auf der Schurenbachhalde in Essen, siehe Vertiefung im Artikel Route der Landmarkenkunst), Ereignisse (z.B. Ausstellungen, Bürgerfeste) und Bespielung (Theaterbühne auf einer Halde) können Wert und Ästhetik der Industriekultur "in Szene" gesetzt, diskursfähig, verstehbar und erlebbar werden. Erst so kann diese Seite der unverwechselbaren Identität des Ruhrgebietes nach innen und außen erschlossen werden.

Industriekultur vermag aber auch unmittelbare wirtschaftliche Impulse zu setzen. Sie ist die Basis für den erstarkenden Städtetourismus im Ruhrgebiet, für Kultur- und Freizeitwirtschaft (vgl. Thema "Tourismus-, Sport- und Kulturwirtschaft").

Damit dient sie zugleich dem Stadt- und Regionsmarketing, denn das Profil als (Industrie-)Kultur-Region für ein europaweit einzigartiges Image signalisiert nicht nur die Bewältigung der schwerindustriellen Vergangenheit, sondern sie weist auch den Weg eines intelligenten und konstruktiven Umgangs mit dem industriekulturellen Erbe: Erreicht werden kann eine vielfache "Win-Win-Situation", die ein Positiv-Image erzeugt, damit der Region und ihrer Wirtschaftsförderung dient, zugleich arbeitsplatz- und einkommensbildend wirkt, weiche Faktoren der Standort- und Wohnqualität aufwertet und zudem das Regionalbewusstsein, die Identifikation mit der Region stärkt.
Leistungen der Industriekultur
Quelle: Autorenteam