Industriekultur: Annäherung an den Begriff

Das Wort Industriekultur ist eine vergleichsweise neue Wortschöpfung, die Ende der 1970er Jahre im Umfeld des damaligen Nürnberger Kulturdezernenten Hermann Glaser populär wurde. Dabei ging es zunächst um einen Gegenbegriff zur Industrie-Epoche, die die Eliten, "die politischen Haupt- und Staatsaktionen im Blick hatte, und das Leben der Menschen, ihren Alltag, außer Acht ließ" (Borsdorf 2000, S. 16). Es ging - in einer Zeit sich auflösender Massenproduktion, Massenarbeiterschaft und Klassenzugehörigkeit - zugleich um eine klassenindifferente Ergänzung des Begriffs Arbeiterkultur, der ebenso wenig der Geschichte der Industriezeit gerecht werden konnte.
Quelle: Autorenteam
Im Ruhrgebiet und mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park hat dieser Begriff eine erneute Bedeutungserweiterung erfahren: Industriekultur wurde zum einen zum Integral von Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur. Damit wird der "Denkraum der historischen Deutung betreten", in dem es um kritisches Verstehen von und Auseinandersetzung mit Vergangenheit ging. Die Denkmals-Dimension im Sinne des "Stehen-Lassens" wurde um das "Ver-Stehen-Lassen" erweitert (Borsdorf 2000, S. 19). Dazu war sie aber auf die unsichtbaren und sichtbaren historischen Kontexte und Einbettungen angewiesen. Denn sie waren ja einst z.B. Zechen - Mittelpunkt von Stadtteilen und "Herz" der Lebenswelt - noch in lebhafter, authentischer Erinnerungen der Menschen.