Tertiärisierung des Produktionssektors

Für den Strukturwandel der Wirtschaft, besonders für die "Re-" und "Neo-Industrialisierung", spielen die höherwertigen wirtschaftsorientierten Berufstätigen und Dienstleistungsbetriebe als "Kernfaktoren" der Innovationsfähigkeit eine entscheidende Rolle: Die Tertiärisierung - genauer handelt es sich um den "Quartären Sektor", der durch Informationsbe- und -verarbeitung im weiten Sinn charakterisiert werden kann und als einer der wichtigsten Wachstumsträger der Beschäftigung gilt - ist engstens mit der Produktionssphäre verflochten.

In welchem Umfang also haben die Dienstleistungen Einzug in die Unternehmen des Produzierenden Gewerbes gehalten? Da diese Beschäftigten immer dann dem Sekundären Sektor zugerechnet werden, wenn ihr Arbeitsplatz den Unternehmen oder Betrieben des Produktionssektors angehört, kommt es zur systematischen Unterschätzung des eigentlichen Bestands der "Dienstleistungsgesellschaft".

So führen beispielsweise in der EU im Jahr 1999 zwischen 23 % (Portugal) und 47 % (Niederlande) aller Beschäftigten im Industriellen Sektor Dienstleistungstätigkeiten aus. Deutschland (West) liegt mit 38 % im oberen Drittel (vgl. Bosch et al. 2002, S. 49). Hinter hohen Anteilswerten können sich allerdings ganz verschiedene Ursachen verbergen: So mag der eigentliche Fertigungsprozess hoch rationalisiert sein, aber beispielsweise im Bereich Design, Marketing oder Kundenservice aufwändige Dienstleistungen erfordern (Unternehmensstrategie der "Qualitätsfertigung"). Vielleicht sind die Zahlen aber auch Ausdruck dafür, dass der Fertigungsprozess ins Ausland verlagert worden ist, Import und Verkauf aber vom Standort aus betrieben werden ("Globalisierung").

In beiden Fällen aber kann ein hoher Tertiärisierungsgrad einer Region oder eines Landes als Indikator für eine vergleichsweise "moderne" Produktionsstruktur interpretiert werden. Allerdings laufen die Tendenzen zum "Outsourcing" von (dienstleistenden) Unternehmensteilen oder -tätigkeiten dem entgegen.
Entwicklung der Beschäftigung im Ruhrgebiet 1978 - 2000 (Tertiärer Sektor)
Quelle: Autorenteam, LISA-Datensatz des RVR