Phase 2 (1975 - 1986): Zentralisierte Strukturpolitik

In diese Zeit fällt die Zentralisierung der strukturpolitischen Planungshoheit auf das Land. Dazu musste dem Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) die Planungskompetenz entzogen werden. Am 1. Oktober 1979 wurde der SVR in den "Kommunalverband Ruhrgebiet" KVR umgewandelt. Faktisch war bereits mit dem Landesplanungsgesetz von 1975 die Planungshoheit an die neuen Bezirksplanungsräte der Regierungsbezirke übergegangen und damit ein wichtiger Akteur und Partner des zumindest in Teilbereichen erfolgreichen EPR entmachtet (Goch 2002, S. 297 ff.).

Die bisherigen Instrumente, die auf Ansiedlungsförderung, also auf Ersatzarbeitsplätze von außen setzten, hatten sich als nicht mehr tragfähig erwiesen. Die Neu-Industrialisierung war mangels Masse umsiedlungsbereiter Großbetriebe gescheitert (zu den bescheidenen Erfolgen wie Opel, Graetz/Nokia, Siemens: vgl. Goch 2002, S. 313).

Es galt nun, sich verstärkt den "endogenen Potenzialen", d.h. den ansässigen Schlüsselbranchen zuzuwenden. Die Förderungspriorität galt nun solchen Technologien, die sowohl einen breiten Anwendungsbereich aufwiesen als auch Erneuerungsprozesse in vielen Produktionsbereichen auslösen konnten. Sie wurden zum einen in den bisherigen Montanindustrien erkannt, zum andern - aber erst am Ende dieser Phase - in der Diversifikation innovativer Branchen der Klein- und Mittelbetriebe.
Titelseite von Durchblick
Titelseite von Durchblick
Quelle: Vorstand der Deutschen Steinkohle AG 2002, Titel
Die wiedergewonnene Hoffnung auf die Montanindustrie war nicht zuletzt konjunkturell gestärkt worden: Im Gefolge der Ölpreis-Schocks fand sich die Ruhrkohle unerwartet in der Rentabilitätszone wieder und nährte ein weiteres Mal den Ruhrgebiets-Mythos "Kohle hat Zukunft" (so ein Leitartikel der Zeitschrift der Deutschen Steinkohle "Durchblick" Nr. 3, Herbst 2002).

Dieser Spagat bestimmte die strukturpolitische Phase und war gewollt: In Krisenzeiten des modernisierten Montansektors sollten die technologisch neuen Branchen die freigesetzten Arbeitsplätze "wie ein Schwamm aufsaugen". (Landesregierung 1979, S. 13). Nacheinander wurden die Technologieprogramme Bergbau (1974), Energie (1974), Wirtschaft (1978) und Stahl (1979) aufgelegt. Sie gingen mit Ausnahme der Stahl-Initiative in das Aktionsprogramm Ruhr (APR 1980 - 1984) ein.
Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme in Duisburg
Copyright bei Fraunhofer IMS
Damit wird im APR einerseits - dem Leitbild "Energiezentrum der Bundesrepublik" folgend - die Modernisierung der Monostruktur betrieben: Kohleverstromung, Kernenergie, Kohleverflüssigung und -vergasung (mittels nuklearer Prozesswärme) hießen die neuen und alten, aus dem NWP übernommenen, Ziele (Goch 2002, S. 309). Diese waren in der "großen Krise" 1974/75 nur vorübergehend aus dem Auge geraten und im Zuge der hohen Ölpreise wieder aktuelle Hoffnungsträger.

Andererseits wurden - wenn auch nur randlich - neue zukunftsweisende Technologien und Innovationen unterstützt: Das Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme (IMS) in Duisburg entstand. Ein Forschungszentrum Schwerölgewinnung wurde in Gelsenkirchen geplant.
Auch der (wenngleich sich erst später einstellende) Erfolg der Bodenmobilisierung durch die Einrichtung des "Grundstücksfonds Ruhr" und der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) gehört zu den wichtigen Errungenschaften des APR. Ausgestattet mit jährlich ca. 50 Mio. Euro, gelang es nach und nach industrielle Brachflächen zu erwerben und neuen Nutzungen zuzuführen.
So erwies sich das APR - wie auch die Serie von Technologieprogrammen dieser Phase - als ambivalent. Die erstrebte Neo-Industrialisierung geriet zunächst zur Re-Industrialisierung.
Der eigentliche Durchbruch zu einer auf neue Technologien gerichteten Politik gelang erst nach Ablauf des APR mit der "Nordrhein-Westfalen-Initiative Zukunftstechnologien" (1985 - 1988), die eine Fortsetzung und Konkretisierung des auf den Mittelstand konzentrierten Technologieprogramms Wirtschaft (1978) war.
Hinsichtlich der zukunftsorientierten Schlüsselbranchen zeigte diese Phase im Zeichen konjunktureller und energiepolitischer Turbulenzen noch alle Anzeichen eines Such- und Orientierungsprozesses. Dennoch setzte das APR auf anderen Gebieten völlig neue Signale und dokumentierte damit den Beginn einer neuen Phase strukturpolitischer Strategie.

(a) Neben den überwiegend traditionell ausgelegten Politikfeldern der Energie-, Technologie-/Innovations- und Investitionspolitik wurden explizit Städtebau-, Kultur-, Umweltschutz- und Qualifizierungspolitik zu Programmschwerpunkten (Schlieper 1986, S. 193). Die sog. weichen Standortfaktoren, die Attraktivität und das Image des Ruhrgebietes wurden hochrangiger Gegenstand der Strukturpolitik.

(b) Erstmalig wurde das Instrument einer auf Konsens abzielenden partizipatorischen Politik eingesetzt: Auf der Ruhrgebietskonferenz von 1979 in Castrop-Rauxel wurden alle relevanten Akteure, Bund, Land, Kommunen, Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbände und viele weitere gesellschaftliche Gruppierungen an einen Tisch gebracht. Dieser konsensorientierte Politikstil des Dialogs sollte von nun an das Grundmuster der Problemlösungsversuche bis in die Gegenwart sein.