Die "Internationale Bauausstellung Emscher Park" (1989 - 1999)

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Quelle: Internet 2
Als eher experimentelle Variante der Regionalisierten Strukturpolitik und parallel zum Konzept der "Regionalen Entwicklungskonferenzen" initiierte das Land die "Internationale Bauausstellung Emscher Park" (IBA Emscher Park: 1989 - 1999).

Dabei handelte es sich um ein groß angelegtes Programm zur Erneuerung einer alten Industrieregion, umgesetzt in der Emscherzone, dem am stärksten vom montanindustriellen Rückbau in Mitleidenschaft gezogenen Raum. Hier hatten sich in der Entfaltungsphase der Großanlagen die städtebaulichen, branchen- und sozialstrukturellen Monostrukturen besonders scharf ausgeprägt. Die sozialen, ökologischen und baulichen Mängel mussten beim Rückzug der Montanindustrie um so deutlicher zum Vorschein kommen. Die Ziele der IBA Emscher Park waren dementsprechend hoch gesteckt und richteten sich auf die ökonomische, soziale und ökologische Erneuerung zugleich.

Im Gegensatz zum REK-Ansatz wurde eine privatrechtliche Planungsgesellschaft ins Leben gerufen. Ein halbstaatlicher Lenkungsausschuss (Experten aus Landesministerien, Kommunen, Wirtschaft, Gewerkschaft, Planung, Architektur, Naturschutz und Wissenschaft) fungierte als verbindliche Entscheidungsinstanz zwischen Land und Kommunen.

Wie im REK-Ansatz stand auch hier in vorgegebenen Handlungsfeldern das Vorgehen in kleinschrittigen Projekten im Vordergrund. Allerdings war der Handlungsrahmen perspektivisch präziser und an innovativen Leitideen ausgerichtet, die zur Qualitätssicherung sowohl Grundlagenforschung als auch internationale Wettbewerbe einbezogen.
Der Planungsraum der IBA Emscher Park
Quelle: Internet 3
Teilweise konnte die IBA hier auf vorangehenden Überlegungen des des damaligen KVR aufbauen, der z.B. das Konzept eines regionalen Parkverbundes entlang des Rhein-Herne-Kanals erarbeitet hatte, aber auch bei der "Route der Industriekultur" wichtiger Impulsgeber für die Integration von Kunst und Kultur, Tourismuswirtschaft, soziokultureller Identität und Neunutzung alter Gebäude/Flächen war. Die IBA gab zunächst sieben, später auf fünf zusammengefasste Leitthemen vor, an denen sich alle Projektvorschläge zu orientieren hatten (vgl. im Folgenden KVR 2000, S. 18).
Route der Industriekultur
Quelle: Ruhrgebiet Touristik GmbH
Der Emscher Landschaftspark (Die Zahlen 1 bis 13 kennzeichnen Projektstandorte)
Quelle: KVR 1995, S. 12
(1) Emscher Landschaftspark

Ziel ist die Rückgewinnung von Frei- und Grünflächen aus industriellen Brachen, die das System der nord-süd-verlaufenden Grünzüge durch einen west-ost-gerichteten, in einem Zeitraum von 30 Jahren zu realisierenden Landschaftspark von Duisburg bis Kamen verbindet (s. Thema "Freiraum und Grünflächen").

(2) Renaturierung des Emscher-Systems

Hier geht es um die landschaftliche und ökologische Qualitätsverbesserung der zum offenen Abwasserkanal umgebauten Emscher. Sie soll durch eine Trennung von (unterirdisch verlagertem) Abwassersystem und Flusswasser sowie durch Gestaltung einer naturnahen Flusslandschaft renaturiert werden (s. Thema "Natur und Stadt").
Der Deininghauser Bach vor und nach der Renaturierung
Quelle: Archiv Emschergenossenschaft
Gasometer in Oberhausen
Quelle: RVR-Fotoarchiv (Liedtke)
(3) Umwidmung altindustrieller Gebäude und Flächen

Die ungenutzten Industriebauten sollen nicht mehr abgerissen, sondern saniert und für neue Nutzungen aufbereitet werden. Im Verein mit der Aufbereitung und Erschließung der brachgefallenen Industrieflächen erhalten sie so das industrielle Erbe, eine Stärkung der regionalen Identität, mindern zugleich den Flächenverbrauch an den Rändern des Ballungsraumes (Ressourcenschonung) und leisten mit der Neunutzung einen wichtigen Beitrag zur funktionalen Modernisierung und Aufwertung der Standortqualität (Kultur-, Freizeit-, Kunst-, Büro-, Wohnangebote, s.u. Pkt. 4 und 5) (s. Thema "Industriebrachen").

(4) Arbeiten im Park

Eine Variante der Umwidmung alter Industrieflächen: Der Mangel an attraktiven Gewerbe- und Bürostandorten sollte durch Umnutzung alter Industriegebäude und parkartige Umgestaltung der Nahumgebung behoben werden.
Gartenstadt Welheim in Bottrop
Quelle: Internet 4
(5) Neues Wohnen

Eine weitere Variante der Umwidmung: Alte Industrieflächen bieten den (Experimental-)Raum für neue Wohnformen, Gestaltungen und Materialien ("Selber bauen", "Frauen bauen und planen", "ökologisches Bauen", ...).
Konzertveranstaltung in der ehemaligen Gießhalle im Landschaftspark Duisburg-Nord
Quelle: RVR-Fotoarchiv (Liedtke)
Bis zum Ende der IBA Emscher Park wurden mit rund 2,3 Mrd. Euro 129 Projekte in 17 Gemeinden des Emscherraumes realisiert. Ohne Zweifel hat die IBA Emscher Park der Region nicht nur ein weltweit beachtetes "Leuchtturm-" oder "Flagship"-Programm geschaffen, sondern auch eine außerordentliche Fülle von innovativen Impulsen, die themen- und gebietsweise ihre Fortsetzung erfahren (z.B. in der Emscher-Lippe Region: "Wasserwelten", Arbeiten und Leben im Park, Alternativenergien; Kulturevents und Konzerte in Industriekulissen: Triennale; Industriekultur-Tourismus).

Aber es existieren auch mannigfaltige Einwände:
  • Zum einen wurde die Einbeziehung der Bevölkerung bis auf wenige Ausnahmen (Frauen bauen) sträflich vernachlässigt. (Wäre aber der Weg langwieriger partizipativer Verhandlungsprozesse gangbar gewesen?)
  • Zum andern entpuppten sich viele Projekte - unter dem Zwang termingerechter Erfolge und dem Fokus auf kulturelle oder künstlerische "Highlights" - als symbolische Politik. (Kann aber eine moderne Wirtschaftsregion ohne weiche Standortfaktoren wie regionales Selbstbewusstsein, Positiv-Image, Kultur- und Freizeitqualität auskommen?)
  • Dem Erfolgsdruck entsprechend nahm die IBA nur solche Leitprojekte und Problemfelder auf, die erfolgversprechend und lösbar erschienen. Zentrale Probleme wie Verkehr, Abfallentsorgung und Arbeitslosigkeit blieben ebenso wie das Schlüsseldefizit der interkommunalen Kommunikations- und Kooperationskompetenz weitgehend ausgeklammert. (Hätten Zeit-, Finanz- und Humanressourcen hier zu beispielhaften Musterlösungen ausgereicht?)
  • Das Vertrauen auf eine nachhaltige Diffusionswirkung der Erneuerungsstrategie trog: Viele Innovationen stellen sich aus heutiger Sicht als inselhaft isolierte Projekte dar, Oasen ohne Chance auf ein Zusammenwachsen oder auch nur auf Vernetzung - es sei denn durch kultur-/tourismuswirtschaftliche Routen verbunden. (Kann man von einer Bauausstellung mehr als Signalwirkungen oder Musterlösungen an den Fronten von Architektur, Städtebau und regionaler Strukturpolitik verlangen? Sind die Akteure der IBA Opfer ihrer eigenen, zu hoch gespannten Erwartungen geworden?)