Innerregionale Verlagerung der Standorte

Die Produktionsabläufe und -verfahren der Stahlerzeugung waren klassischerweise an folgende Standortanforderungen gebunden (Bansamir 1971):
  • hoher Rohstoffbedarf mit regionaler Konzentration von wichtigen Zulieferern aufgrund des hohen Materialeinsatzes (bes. Koks) und der Standortgebundenheit der wichtigsten Rohstoffe
  • hoher Energiebedarf aufgrund der besonderen Anforderungen des Reduktionsprozesses
  • Absatzorientierung (zu beachten gilt hierbei die vielfältige Verwendungsmöglichkeit von Stahl)
  • Fühlungsvorteile zu gleichen, vorgelagerten und nachgelagerten Produktionsstufen aufgrund der hohen Kostendegression bei steigenden Produktionskapazitäten.

Erzversorgung und Kohleeinsatz als Ursachen der Standortverlagerung

Im Laufe der Jahre fand eine Umstrukturierung und Verlagerung auf der Input-Seite (Erze, Kohle) statt. Hinsichtlich der Erzversorgung fand an Stelle von Inlandserzen Material von Übersee immer stärkeren Einsatz. Zwar sind bei Erzen aus überseeischen Lagerstätten die Frachtkosten wesentlich höher, jedoch wiegt die produktionstechnisch bedingte höhere Qualität diesen Nachteil auf. So liegt z.B. der Eisen-Gehalt von Auslandserzen bei 50 - 70 %, der von Inlandserzen jedoch nur bei 25 - 30 %. Zudem benötigt man weniger Koks für die Reduktion von Erz zu Roheisen. Das Erz wird heute meist gesintert (angereichert) oder pelletiert (zu kleinen Kugeln geformt) (Internet 12) (s. Thema "Eisen und Stahl").

Neben den kostengünstigen Abbaumöglichkeiten besonders beim Übertagebau in vielen Übersee-Lagerstätten, z.B. Itabira in Brasilien und Westaustralien mit 21 bzw. 18 % der Weltproduktion (Diercke 2002, S. 231 Karte 2) entstand durch eine neue Generation von Großraumfrachtern eine enorme Senkung der Transport- und Umschlagkosten. Wurde das Erz in den 1950er Jahren noch mit Frachtern zwischen 10.000 - 15.000 t Kapazität transportiert, so standen bald Größenordnungen um 100.000 t zur Verfügung. Dies führte zu Verbilligungen der Transportkosten von 40 % und mehr. Damit waren aber auch andere Standortbedingungen bei den Bestimmungsorten der Erzfracht gefragt. Man benötigte vor allem leistungsfähige Lösch- und Ladehäfen mit ausreichendem Tiefgang (Bansamir 1971).

Mit sinkendem spezifischen Koksverbrauch nahm mehr und mehr der Standortvorteil der Hütten "auf der Kohle" ab. Zunehmend wurde Kohle durch andere Energieträger substituiert. So wies (und weist) sich Heizöl beispielsweise nicht nur durch eine bessere Regulierbarkeit des Wärmegrades, sondern auch durch einen kostengünstigen Transport in Pipelines aus. Als Folge kristallisierten sich Standortnachteile "auf der Kohle" heraus, zumindest dann, wenn die Absatzmärkte nicht in der gleichen Region lagen.

Die technologische Entwicklung führte so dazu, dass die Energieversorgung als Standortfaktor an Einfluss immer mehr verlor. Die Minderung des Einsatzes von Kohle und der teilweise Ersatz durch Erdöl und Erdgas bedeuteten die Lockerung der Standortbindung "auf der Kohle". Auch die Stahlindustrie befreite sich damit in einem ersten Schritt vom Diktat der Kohlestandorte zugunsten der "nassen", d.h. Küsten-Standorte (u.a. Bremen, Rotterdam, Genua, Marseille). Man konnte so dem Sog der Absatzmarktorientierung folgen. Weitere Schritte durch neue, vergleichsweise investitionsarme und daher flexiblere "Ministahlwerke" (s. "Stahlkrise der 1970er Jahre") sollten folgen.

Ein Beispiel für die innerregionale Konzentration der Verhüttungsstandorte ist die "Rheinfront" in Duisburg. Denn hier konnte man zum einen der sich wandelnden Gewichte der Einsatzstoffe Erz/Pellets und Kohle und ihrer geänderten Transportkosten Rechnung tragen. Zum anderen ließen sich hier die Standortnachteile der ruhrgebietstypisch hohen Lohnkosten durch kurze Transportwege zu den Verbrauchern im Ruhrgebiet überkompensieren. Denn die Hüttenwerke setzten in den 1970er Jahren rund 80 % der für die Bundesrepublik Deutschland bestimmten Walzstahlprodukte in einem Umkreis von nur 100 km ab.

Seit April 2001 werden nur noch Hochöfen in Duisburg betrieben. Nach der Übernahme von Hoesch durch Krupp 1991 wurde zunächst das Stahlwerk in Rheinhausen geschlossen. Nach einer weiteren Fusion von Krupp mit Thyssen kam das endgültige Aus für den Stahlstandort Dortmund. Unter anderem wurden zwei Hochöfen sowie ein Stahl- und Walzwerk nach China verkauft (Internet 13). Das Stahlwerk Phoenix wurde zum Beispiel in nur sechs Monaten von 100 Facharbeitern demontiert, verpackt und nach China zum Wiederaufbau geschickt.