Bevölkerungsprognose

"Ruhrgebiet verliert immer mehr Bürger"
Quelle: nach Westfälische Rundschau vom 21.06.2001, S. 1
"Das Ruhrgebiet verliert immer mehr Bürger" berichtete die Westfälische Rundschau am 21.06.2001 auf ihrer Titelseite.

Im Juni 2001 veröffentlichte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) eine Studie zur demografischen Entwicklung im Ruhrgebiet bis zum Jahr 2015. Demnach wird es im Ruhrgebiet einen Einwohnerverlust von rund 374.000 Einwohnern (ca. 7 %) geben. Die Bevölkerungsprognose des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) prognostiziert, dass die Bevölkerung des Ruhrgebietes bis zum Jahr 2025 um ca. 490.000 Einwohner auf etwa 4,8 Mio. zurückgehen wird. Das entspricht im Vergleich zum Jahr 2005 eine Veränderung um -9,3%. In den übrigen Landesteilen bleibt die Bevölkerung dagegen nahezu gleich.
Bevölkerungsentwicklung - und Prognose
Bevölkerungsentwicklung - und Prognose für das Ruhrgebiet
Quelle: KVR 2002/Klemmer 2001
Innerhalb des Ruhrgebietes gibt es hierbei starke Unterschiede. Die Einwohnerzahl von Essen wird bis 2015 um 14 % abnehmen, die Einwohnerzahl von Hagen und Dortmund um 11 % , Herne wird ca. 10 % seiner Einwohner verlieren (Bezugsjahr 1998). Den übrigen Landesteilen wird aller Voraussicht nach ein Bevölkerungsplus von 1,3 % gegenüber 1998 vorausgesagt. Da die Fertilität und die Lebenserwartung kaum von anderen Verdichtungsräumen abweichen, sind die altersstrukturellen Abweichungen des Ruhrgebietes vom Durchschnitt Deutschlands als Spätfolge der lang anhaltenden arbeitsmarktbedingten Abwanderungsbewegungen vor allem jüngerer und deutscher Altersschichten der letzten Jahre zu interpretieren. Selbst eine Steigerung der Geburtenrate um 50 % wird diesen Prozess der Schrumpfung nicht mehr aufhalten können.
Abweichung der Altersstruktur des Ruhrgebietes 2015 von der Altersstruktur 1998
Quelle: Klemmer 2001, S. 43
Der Überalterungsprozess und besonders der Trend zur Überalterung des Arbeitsmarktes wird anhalten und sich verschärfen. Die Prognose des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung bis 2015 zeichnet im Vergleich zum Jahr 1998 gerade in den Kern-Altersgruppen des Arbeitsmarktes eine massive Abnahme vor (28 - 41 Jahre: zwischen 25 und 30 %), dagegen eine Zunahme im älteren Segment der 45 bis 55-Jährigen von mehrheitlich weit über 30 %.
Bevölkerungsentwicklung im Regionalverband Ruhr 2005 - 2025, in Prozent
Bevölkerungsentwicklung im Regionalverband Ruhr 2005 - 2025, in Prozent
Quelle: RVR-Datenbank 2008
Innerhalb der Kategorie der Erwerbstätigen steigt der Anteil der über 40-Jährigen kontinuierlich an. Diese regionale Überalterung des Arbeitskräfteangebots schreitet deutlich schneller voran als im übrigen NRW und in Deutschland (Klemmer 2001, S. 44f.).

Die Dynamik der Bevölkerungsabnahme wird räumlich differenziert ablaufen. Die Hellweg- und Emscherstädte sowie die umgebenden Kreise werden die stärksten Verluste erleiden, während an den Flügeln der Kreis Wesel und die Stadt Hamm vergleichsweise leichte Verluste hinnehmen müssen.
Veränderung der Bevölkerung 1998 bis 2015 in ausgewählten Regionen, in Prozent von 1998
Quelle: Klemmer 2001, S. 37
"Im Vergleich zum Bund oder zum Land fehlen die jüngeren Alterskategorien, umgekehrt dominieren die Älteren. Alterstrukturell gesehen läuft das Ruhrgebiet dem Bundesgebiet etwa 25 Jahre voraus. Die Zahl der Erwerbsfähigen (19- bis unter 60-Jährige) wird demnach in den nächsten Jahren stärker schrumpfen als jene der Gesamtbevölkerung. Der Anteil der Älteren am Erwerbsfähigenvolumen wird kontinuierlich steigen. (...) Diese alterstrukturelle 'Vorbelastung' kann dazu führen, dass nach 2015 das Risiko eines Bevölkerungsimplosionsprozesses droht" (Klemmer 2001, S. 44f.). Das Ruhrgebiet nimmt somit eine Vorreiterrolle für Deutschland ein, falls nicht gravierende Änderungen in den Zuwanderungen eintreten.

Die Studie stellt heraus, dass die Bevölkerungsimplosion "nur über eine selektive Zuwanderungspolitik auf Regionsebene und eine erfolgreiche Integrationspolitik auf Stadtbezirksebene" (Klemmer 2001, S. 62) vermieden werden kann. Damit ist die Frage nach einer aktiven Zuwanderungs- und Integrationspolitik aufgeworfen, ohne die das Ruhrgebiet schon mittelfristig auf ausgesprochen ernstzunehmende Engpässe des Arbeitsmarkts zusteuert (Klemmer 2001, S. 42).

Flankiert wird diese Argumentation durch eine insgesamt positive Einschätzung der ökonomischen Folgen der Immigration. Zum einen kann von einer Konkurrenzsituation auf dem regionalen Arbeitsmarkt nicht gesprochen werden, vielmehr handelt es sich um Komplementärbeziehungen. Zum anderen erbringen die Immigranten auf Grund ihres alterstrukturell günstigeren Aufbaus und entsprechend geringerer Inanspruchnahme von Leistungen einen signifikanten Beitrag zur Finanzierung staatlicher Kosten (Renten, Krankenversicherung). Sie entlastet die Deutschen - trotz höherer Aufwendungen für Arbeitslosigkeit der Ausländer - um etwa 200,- Euro pro Jahr (Klemmer 2001, S. 32).